Pressemitteilung |

Gefährlicher Medikamenten-Kauf im Internet

(Bonn) - Vor dem Kauf von Medikamenten über das Internet hat die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) in Bonn gewarnt. Online-Bestellungen von Medikamenten können nach Erkenntnissen der AgV leicht zum pharmazeutischen Roulette werden. Medikamente, die gemäß deutschem Arzneimittelgesetz ausschließlich der Arzt verordnen darf, sind im Internet gegen Vorkasse per Kreditkarte ohne weiteres erhältlich.

Die Palette ist riesig und reicht von wirkungslosen Präparaten bis zu lebensgefährlichen Mitteln. Hoch wirksame und damit potentiell auch gefährliche Antibiotika, Antidepressiva, Hormonpräparate oder Schmerzmittel mit sehr starkem Suchtpotential sind leicht zu bekommen. Auch in Deutschland nicht zugelassene Mittel können bestellt werden, zum Beispiel das in den USA als Wunderdroge beworbene Melatonin, bei dem erhebliche Nebenwirkungen nicht auszuschließen sind. Warnhinweise, z. B. zur Teilnahme am Verkehr, werden oft verschwiegen und Wirkungen bagatellisiert.

Vor allem einige US-amerikanische Versender nutzen derzeit gezielt die unterschiedlichen gesetzlichen Bestimmungen in den USA und in Europa und richten ihre Angebote auf deutschsprachigen Internetseiten an Kunden hierzulande. Während man in den USA gerade dabei ist, das Problem zu erkennen und entsprechende Sanktionen zu diskutieren, gibt es in Europa die gegenteilige Tendenz. Die geplante EU-Richtlinie über "bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt" (98/0325 e-commerce) stellt in diesem Punkt die Interessen des Verbraucherschutzes eindeutig hinten an. Die Folge: Bestehende Verbraucherschutzstandards in Sachen Arzneimittel könnten dann hierzulande nicht länger aufrechterhalten werden. Bisher ermöglicht die EU-Fernabsatzrichtlinie (97/7/EG) den Mitgliedsländern, nationale Verbote für den Arzneimittel-Versandhandel zu verabschieden. Solche Abgabe- und Werbebedingungen für Arzneimittel als Waren, die sich vom sprichwörtlichen Waschmittel oder sonstigen Konsumgütern grundlegend unterscheiden, müssen auch weiterhin möglich sein, so die AgV. Bisher ist auch die Publikumswerbung über Bildschirme für verschreibungspflichtige Medikamente untersagt. Beide Verbote werden nun durch die neue e-commerce-Richtlinie in Frage gestellt. Und eine Arbeitsgruppe, die sich speziell mit den Problemen des Internet-Arzneimittelversandhandels beschäftigen soll, wurde in Brüssel zwar angekündigt, aber noch nicht eingerichtet.

Gerade die Arzneimitteleinnahme ohne gründliche Indikationsstellung und begleitende kompetente Beratung ist aufgrund der möglichen Nebenwirkungen für die Patienten ein gefährliches Spiel, warnt die AgV. Verbraucher sollten sich klar darüber sein, dass der medizinische Rat angeblicher "virtueller Ärzte", die in "Cyber-Apotheken" nach dem Ausfüllen eines kurzen Fragebogens Medikamente "verschreiben" und dafür bis zu 65 US $ in Rechnung stellen, medizinisch zweifelhaft ist. Denn ein seriöser "Gesundheits-Check" kann auf diese Art und Weise nicht durchgeführt werden, stellt die AgV fest. Im Gegensatz dazu sind Ärzte in Deutschland berufsrechtlich verpflichtet, eine individuelle ärztliche Behandlung und Beratung nicht ausschließlich über Internet durchzuführen, sondern den Patienten bei Erst- und Wiederholungsverordnungen körperlich zu untersuchen. Verbrauchern, die auf der sicheren Seite sein wollen, empfiehlt die AgV, auf die Medizin aus dem Internet zu verzichten und sich stattdessen gründlich vom Arzt untersuchen zu lassen.



Bei vielen der internationalen "Cyber-Apotheken" handele es sich um zweifelhafte Anbieter, die von heute auf morgen wieder aus dem Internet verschwinden können, ohne dass der Verbraucher irgendeine Postadresse des Anbieters hätte. Da auf internationaler Ebene jede Kontrolle fehle, könne bei Internet-Bestellungen auch nicht ausgeschlossen werden, dass das Verfallsdatum der Arznei bereits überschritten oder der Beipackzettel unvollständig oder unleserlich sei. Aus dem gleichen Grund sei nicht sichergestellt, dass der Packungsinhalt immer dem aufgedruckten Wirkstoff entspreche.



Bei Reklamationen gebe es kaum Chancen auf Schadensersatz. Zwar mache sich ein Internetanbieter, der verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Vorlage eines Rezeptes abgibt oder zu falschen Anwendungsgebieten bewirbt, nach deutschem Recht strafbar. International mangele es jedoch an wirksamen Sanktionsmöglichkeiten. Versuche, Geld für Fehllieferungen zurückzuerhalten oder im Schadensfall Haftungsansprüche durchzusetzen, hält die AgV für hoffnungslos.



Diese Risiken des Internets gelten nach Einschätzung der Verbraucherverbände auch für chronisch Kranke, die sich mit "ihren" Medikamenten auskennen. Zudem sei auch für den Fall, dass ein korrektes Präparat geliefert wird, eine Erstattung der Kosten für den Patienten seitens seiner deutschen Krankenversicherung in der Regel ausgeschlossen. Auch sollten Verbraucher bedenken, dass Medikamentenlieferungen vom deutschen Zoll zurückgehalten werden können. Auch in diesem Fall kann nicht damit gerechnet werden, sein Geld zurück zu bekommen.



Quelle: AgV

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