Pressemitteilung | Verband der Landwirtschaftskammern e.V. (VLK)

Höhere Produktivität und Kostensenkungen verhindern Absturz der Wirtschaftsergebnisse

(Berlin) - Die Landwirtschaftskammern legen ihre Prognose über die Entwicklung der Wirtschaftsergebnisse für das Wirtschaftsjahr 2009/10 vor. Diese Prognose basiert auf den Buchführungsergebnissen des Vorjahres 2008/09, auf Ergebnissen des ersten zurückliegenden Halbjahres und aus Trendanalysen. Diese Informationen werden gemeinsam verrechnet.

Nach dem "historischen" Hoch der Erzeugerpreise im WJ 07/08 brechen die Märkte im zweiten Jahr in Folge massiv ein. Mit der politischen Rücknahme von Mengenbeschränkungen und dem Rückbau des Sicherheitsnetzes - der Interventionspreise - schlagen Schwankungen auf dem Weltmarkt auf unseren Binnenmarkt voll durch. Unter dem Einfluss der Finanz- und Wirtschaftskrise geben Agrarpreise und damit die Einkommen der Landwirte weiter nach. Vergleichsweise stabil erweist sich allein die Schweinehaltung.

Gute Ernte
Das Erntejahr 2009 ist - wie das Vorjahr - speziell im Getreidebau, bei Raps und Mais als weit überdurchschnittlich einzustufen. Insofern wurden die Märkte bestens versorgt.
Eine erneute Rekordernte verzeichnen die Zuckerrübenbauern, deren Erträge annähernd bei 700 dt/ha und einem außerordentlichen Zuckergehalt von ca. 18 Prozent liegen dürften. Dieser insgesamt positive Trend gilt nicht für die Kartoffelernte. Die Kartoffeln litten unter dem recht trockenen Wetter. Glücklich durfte sich der Kartoffelbauer schätzen, der eine Beregnung einsetzen konnte. Alles in allem sank hier der Ertrag um 10 Prozent auf ein durchschnittliches Niveau.

Hohes Getreideaufkommen drückt auf die Preise
In Folge der wiederum guten Erntemenge für Getreide sanken die Getreidepreise bereits zu Beginn der Ernte noch drastischer als im Vorjahr ab. Sie bewegen sich im Bereich von 8 bis 11 Euro/dt. In früheren Jahren erreichten die Getreidepreise zur Ernte ihren Tiefpunkt und stiegen dann wieder an. Wie schon im Vorjahr ist auch bis zum jetzigen Zeitpunkt keine nennenswerte Erholung zu verzeichnen, so dass das Einlagern kaum Rendite abwirft.

Zu viel Raps am Markt
Konnte der gute Rapspreis zur Ernte 2008 - basierend auf den Kontrakten aus dem Jahr 07/08 - noch die Erlöse der Ackerbauern stabilisieren, gehen die Landwirtschaftskammern von einem Preisrückgang für die 2009er Ernte von mehr als einem Drittel aus. Insgesamt herrscht eine Überversorgung vor. Diese geht sowohl zurück auf eine Ausdehnung des Anbaus als auch auf einen enormen Ertragszuwachs gegen über dem Vorjahr von bis zu 20 Prozent.

Hackfrüchte mit unterschiedlichen Preistendenzen
Die Preise für vertraglich nicht gebundene Speisekartoffeln wie auch für Industriekartoffeln gaben um 10 bis 15 Prozent nach. Bei den Kartoffelbauern führt dies zu einem Rückgang der Umsatzerlöse von etwa 20 Prozent. Positive Effekte brachten die Zuckerrüben. Auf Grund einer sehr guten Ernte und deutlich besserer Erlöse dank des hohen Zuckergehalts dürften die Umsatzerlöse aus dem Zuckerrübenanbau über dem Niveau von 2008/09 liegen.


Milch weiter auf Talfahrt
Seit dem Herbst 2007 ist der Milchpreis kontinuierlich gefallen. So musste bereits für das zurückliegende Wirtschaftsjahr ein Preisverfall von 20 bis 30 Prozent hingenommen werden. Dieser drastische Einbruch setzte sich zu Beginn des laufenden Wirtschaftsjahres fort. Teilweise unterschritt der Standardmilchpreis sogar die Grenze von 20 Cent. Im Herbst 2009 - also kurz nach Beginn des laufenden Wirtschaftsjahres - begann sich der Markt etwas zu erholen. Entscheidend ist die Frage, wie es im zweiten Halbjahr des Wirtschaftsjahres weitergehen wird. Die Landwirtschaftskammern prognostizieren, dass der Milchpreis über das gesamte Wirtschaftsjahr 09/10 hinweg gesehen und im Vergleich zum Vorjahresdurchschnitt um etwa 5-6 Cent/kg bzw. um weitere 10 bis 12 Prozent fallen wird.

Nutzrinder uneinheitlich
Die Preise für Schlachtvieh sind rückläufig. Die Landwirtschaftskammern gehen deshalb von schwächeren Notierungen für Altkuh- und Bullenfleisch aus; und zwar wiederum im Durchschnitt des gesamten laufenden Wirtschaftsjahres und im Vergleich zum Durchschnitt des Vorjahres. Für Nutzkälber und für Zuchtfärsen werden hingegen überall hohe bzw. sogar höhere Preise erzielt.

Keine Entwarnung für Schweinesektor
Seit Mitte 2008 entschärfte sich die dramatische Situation bei den Schweine haltenden Betrieben. Noch zu Beginn dieses Wirtschaftsjahres gab es Grund zu der Annahme, dass die Talsohle im Schweinezyklus durchschritten sei. Nach einer guten Erholung schwächeln sowohl die Ferkel- als auch die Mastschweinepreise erneut. Für das gesamte Wirtschaftsjahr gehen die Landwirtschaftskammern von einem Rückgang im Preis aus der um die 10 Prozent-Marke rangiert.

Einsparungen bei variablen Kosten möglich
Die Preise für Stickstoff- und Phosphordünger sind im Gegensatz zum Kali spürbar gesunken. Der Aufwand für Düngemittel nimmt im Durchschnitt aller Betriebe um 10 Prozent bis 30 Prozent ab. Mit den Getreidepreisen sinkt auch der Aufwand für Futtermittel um zirka 18 Prozent. Diesel wird noch etwa um 6 Prozent günstiger. Demgegenüber verteuern sich Strom und Wasser weiter. Die verschiedenen Aufwandspositionen sinken für den Durchschnitt aller Betriebe um etwa
5 Prozent.

Leicht steigende Festkosten
Die angespannte Kassenlage vieler Betriebe im Vorjahr führte zu einer Abnahme der Investitionstätigkeit. Jedoch befanden sich noch zahlreiche Anlagen im Bau, die im laufenden Wirtschaftsjahr aktiviert werden. Daher muss mit höherem Aufwand bei den Abschreibungen gerechnet werden. Einsparungen werden bei der Unterhaltung von Gebäuden und baulichen Anlagen erwartet, zumal hier in den letzten zwei Jahren erhebliche Ausgaben getätigt wurden.

Sofortmaßnahmen helfen oft erst später
Die Modulation der Betriebsprämie steigt von 5 auf 7 Prozent. Die Modulationsmittel werden für neue Maßnahmen der ländlichen Entwicklung - wie Weideprämien - verwendet. Die Effekte der neuen Maßnahmen kommen mit der Antragsstellung 2010 zum Tragen; also erst im Wirtschaftsjahr 2010/11. Als Ausgleich und Nothilfe wird 2010 vom Bund eine Milchkuhprämie in Höhe von 20 Euro/Kuh, eine Grünlandprämie in Höhe von 37 Euro/ha Grünland sowie von der EU eine Grünlandprämie in Höhe 20 Euro/ha Grünland gewährt. Diese Zahlungen entsprechen etwa einem Ausgleich von 1 Cent/kg Milch. Buchführungstechnisch fallen diese Zahlungen aber auch erst in das Wirtschaftsjahr 2010/11.

Als Sofortmaßnahme wurden der Selbstbehalt (350 Euro) bei der Vergütung von Agrardiesel und die Kappungsgrenze (10.000 l Verbrauch) abgeschafft. Die Auswirkungen davon greifen bereits im laufenden Wirtschaftsjahr. Die Vergünstigungen beim Agrardiesel kompensieren die höhere Modulation in etwa. Als weitere Soforthilfe wurde ein höherer Zuschuss zur Berufsgenossenschaft beschlossen.
Die Zulagen und Zuschüsse bleiben im laufenden Wirtschaftsjahr nahezu unverändert.

Ackern für wenig Geld
Die spezialisierten Ackerbaubetriebe können trotz der überdurchschnittlichen Ernteerträge nicht zufrieden sein. Das bereits gesunkene Gewinnniveau des Vorjahres wird erneut abrutschen. Die Größenordnung im Rückgang wird der des Vorjahres in etwa vergleichbar sein.

Betriebe mit überwiegend Getreide- bzw. Rapsanbau profitieren in erster Linie von der überdurchschnittlichen Ernte sowie von den deutlich rückläufigen Düngerpreisen. Dies führt dazu, dass bestenfalls das bereits niedrige Vorjahresniveau gehalten werden kann. Ackerbauern, die stärker auf Kartoffeln und Gemüse neben dem Getreide setzten, werden die stärksten Einkommensrückgänge zu verzeichnen haben. Betriebe mit einem hohen Anteil an Zuckerrüben in der Fruchtfolge könnten in etwa neutral abschließen.

Rinderhalter verlieren zwischen 20 und 40 Prozent
Bereits im zurückliegenden Wirtschaftsjahr gab das Unternehmensergebnis kräftig nach; teils mehr als 50 Prozent. Die spezialisierten Futterbaubetriebe müssen nach diesem Minus im Vorjahr erneut mit einem starken Gewinnrückgang rechnen, sofern sich der Milchpreis im ersten Halbjahr 2010 nicht wesentlich erholt.
Trotz Leistungssteigerungen ist ein Umsatzrückgang für die Milch sehr wahrscheinlich, den die Landwirtschaftskammern zwischen 10 bis 30 Prozent prognostizieren. Da der Preis für Schlachtvieh ebenfalls rückläufig ist, sind auch hier geringere Einnahmen geschätzt worden. Für Entlastung sorgen auch im Futterbau die günstigeren Futter- und Düngemittelpreise. Die Ausgaben werden leicht sinken, können aber die höheren Einnahmeausfälle nicht ausgleichen. Als Konsequenz errechnet sich ein voraussichtlicher Rückgang der Unternehmensergebnisse gegenüber dem Vorjahr zwischen 20 bis 40 Prozent. Im Vergleich zum 5-jährigen Durchschnitt fällt der erwartete Gewinn ebenfalls ab; regional in einer Spanne von 25 bis 50 Prozent.

Schweinehaltung unter Druck
Die Veredlungsbetriebe profitieren einerseits von der guten Getreideernte und deutlich gesunkenen Futtermittelkosten. Andererseits kommen die Preise für Fleisch und für Ferkel wieder mehr unter Druck.

Spezialisierte Sauenhalter werden ihr Vorjahresergebnis nicht halten können. Vielmehr müssen sie befürchten, dass sich ein Rückgang von 10 Prozent im Unternehmensergebnis einstellen wird, wenn die Preise nicht doch noch deutlich anziehen.
Die Schweinemäster profitieren in stärkerem Maße von gesunkenen Betriebsausgaben. Neben Dünger und Futtermittel kommt als dritte Komponente der rückläufige Ferkelzukaufspreis als stabilisierender Faktor hinzu. Trotz voraussichtlich niedrigerer Mastschweinepreise und geringerer Einnahmen im Getreidebau können diese Betriebe sogar mit einer leichten Steigerung des Unternehmensergebnisses rechnen.

Nach vier guten wieder ein schlechteres Jahr für den Weinbau
Die Qualitäten des Weines vom Jahrgang 2009 werden überdurchschnittlich sein. Dafür fielen die Erntemengen im Durchschnitt aller Weinbau betreibenden Betriebe um rund 10 Prozent geringer aus als im Vorjahr.
Die Preise für Rot- und Weißwein dürften wegen der geringeren Erntemenge und der gu-ten Qualitäten wohl etwas anziehen. Dies wird jedoch, da auch die Kosten der Produktion leicht steigen, nicht ausreichen, um den starken Rückgang der Unternehmensergebnisse aufzuhalten.

Regionale Auswirkungen verschieden
Die strukturellen Unterschiede der Haupterwerbsbetriebe spiegeln sich erneut in der er-warteten Entwicklung der Unternehmensergebnisse wider. Dabei zeigen sich zwei große Trends.
Gebiete, die durch Ackerbau oder auch durch eine spezialisierte Milchviehhaltung geprägt sind, müssen wieder einen herben Rückschlag in Kauf nehmen. Die Spanne des Rück-gangs bewegt sich zwischen 15 und 50 Prozent. In diesen Regionen wird der langjährige Durchschnitt deutlich verfehlt. Weniger drastisch sieht es dagegen in den Veredlungs-hochburgen aus. Im Mittel aller Betriebe sinkt das Unternehmensergebnis zwar immer noch, aber eben nur im unteren einstelligen Bereich.
Auch zeigt sich ein Nord-Süd Gefälle zwischen den Kammerländern. Die lange Jahre füh-renden Molkereien in Rheinland-Pfalz können ihre Position nicht mehr halten und reagie-ren langsamer auf die zurzeit positiven Impulse des Weltmarktes. Demgegenüber reagie-ren die Molkereien im Norden schneller auf Marktpreisschwankungen; in diesem Falle zu Gunsten der Erzeuger.

Verschärfte Liquiditätsprobleme
Im Durchschnitt der Betriebe werden die eingesetzten Faktoren Arbeit, Kapital und Boden nicht voll vergütet. Vielmehr beläuft sich die Nettorentabilität - als Maß der Vergütung dieser Faktoren - auf Größenordnungen zwischen 70 und 75 Prozent. Ausgehend von einem sehr mäßigen Vorjahr müssen die Betriebsleiter nun häufig schon die Abschreibungen verwenden, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Bereits seit dem Sommer 2009 meh-ren sich die Liquiditätsengpässe. Dies betrifft vornehmlich die Milch- aber auch die Acker-bauern. Nachdem die Unternehmen ihre Steuerbescheide für das gute Jahr 2008 erhalten haben, wird sich das volle Ausmaß zeigen. Vor diesem Hintergrund ist die exakte Planung und die laufende Überprüfung der betrieblichen Liquidität eine geradezu überlebenswich-tige Aufgabe. Auffallend ist in jedem Falle eine Zunahme des Fremdkapitals.

Abschlussbemerkung
Falls die in der Prognose unterstellen Annahmen sich nicht drastisch verändern, wird das Wirtschaftsjahr 2009/10 als drittes Jahr in Folge mit extremen Einkommensentwicklungen gekennzeichnet sein. Mit einem blauen Auge kommt allein die Schweinehaltung davon. Die anderen Produktionsausrichtungen rutschen mehr oder weniger stark ab. Infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise und aufgrund des zurückgeführten Marktschutzes kommt die deutsche Landwirtschaft in zunehmende Probleme. Nur auf Grund sinkender Betriebsmit-telausgaben kann ein massiver Absturz der Unternehmensergebnisse vermieden werden.

Quelle und Kontaktadresse:
Verband der Landwirtschaftskammern e.V. (VLK), Haus der Land- und Ernährungswirtschaft Pressestelle Claire-Waldoff-Str. 7, 10117 Berlin Telefon: (030) 31904-512, Telefax: (030) 31904520

(bl)

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