Internet-Einkauf mit Fallstricken
(Bonn) - "Das Internet ist zwar kein rechtsfreier Raum, aber für Verbraucher gibt es immer noch zahlreiche Fallstricke beim Online-Einkauf." Diese Einschätzung äußerte die Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände, Anne-Lore Köhne, bei der Vorstellung eines Rechtsgutachtens zu "Verbraucher und Recht im elektronischen Geschäftsverkehr".
Nach wie vor ist ungeklärt, welche Rechte deutsche Konsumenten haben, wenn sie per Internet, zum Beispiel bei einem französischen Anbieter, eingekauft haben. Gilt in einem solchen Fall das deutsche Recht oder das französische? Und welches Gericht ist zuständig?
Das Gutachten, das die Juristen Professor Norbert Reich und Annette Nordhausen, Universität Bremen, im Auftrag der AgV zu dieser Problematik erarbeitet haben, kommt zu dem Schluss, dass hier "offene Regelungsflanken" bestehen. Derzeit ist vor allem das Europaparlament gefordert, das in der kommenden Woche über die Frage des Verbrauchergerichtsstandes verhandeln wird, erläuterte die AgV-Geschäftsführerin, die gleichzeitig Präsidentin des Europäischen Verbraucherverbandes BEUC mit Sitz in Brüssel ist.
Die deutsche AgV fordert ebenso wie der Europäische Verbraucherverband: Das EU-Parlament muss sicherstellen, dass Verbraucher in ihrem Heimatland klagen können. "Andernfalls müssten wir die Konsumenten davor warnen, im Ausland einzukaufen, weil sie im Streitfall kaum eine Chance haben, ihre Rechte durchzusetzen", so Köhne.
Die EU-Kommission hat zu dieser Frage bereits eine vernünftige Regelung vorgeschlagen, so Gutachter Reich, ein international anerkannter Spezialist für Fragen des europäischen Privatrechts: Verbraucher, die über eine Website Bestellungen vorgenommen haben, sollen demnach bei Konflikten mit dem Anbieter vor den Gerichten ihres Landes klagen und nur dort verklagt werden können. "Eine solche Regel ist nachdrücklich zu begrüßen," so Reich.
Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments will diesen Vorschlag aber zum Nachteil der Konsumenten verwässern. Demnach soll es den Anbietern erlaubt werden, den Verbrauchern das Recht zur Klage vor ihrem Heimatgericht zu entziehen, sofern der Anbieter gleichzeitig ein außergerichtliches Streitschlichtungssystem anbietet. Da es derzeit europaweit aber noch keine fairen außergerichtlichen Schlichtungsmechanismen gibt, werden Verbraucher in der Regel das Nachsehen haben. Zudem würden die Pläne des EU-Rechtsausschusses die Verbraucherrechte derart schwächen, dass künftig auch die Entwicklung von fairen Schlichtungsverfahren stark behindert werde, befürchtet Reich.
Der Widerstand im EU-Parlament gegen faire Regeln für Konsumenten erweist der Entwicklung des Internet-Handels einen Bärendienst, betonte Verbraucherschützerin Köhne: "Wirksamer Rechtsschutz für alle Bürger ist ein Grundrecht, für dessen Schutz die Parlamentarier eintreten müssen". Wenn Verbraucher jedoch dazu gezwungen werden, ihre Rechte vor ausländischen Gerichten und gegenüber einem für sie fremden Rechtssystem zu vertreten, ist dies mit dem Grundgedanken der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht vereinbar, betonte Professor Reich.
Als weiteres wesentliches Defizit der bisherigen Rechtslage heben die Autoren der Studie hervor, dass es Anbietern im Einzelfall möglich ist, Verbrauchern den Schutz zu entziehen, der ihnen aufgrund der EU-Gesetzgebung eigentlich zusteht. Demnach darf ein in der EU tätiger Online-Anbieter z.B. im Kleingedruckten bestimmen, dass nicht das Recht eines EU-Landes Anwendung finden soll, sondern beispielsweise das einer Karibikinsel. Die EU muss sicherstellen, dass ihre eigenen Regeln zum Verbraucherschutz auch bei grenzüberschreitenden Einkäufen angewendet werden müssen, so die Forderung der Rechtsexperten.
Quelle und Kontaktadresse:
Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände e.V. (AGV)
Heilsbachstr. 20, 53123 Bonn
Telefon: 0228/64890
Telefax: 0228/644258