Pressemitteilung | Verband Bildung und Erziehung e.V. (VBE)

Lehrerbildung muss sich Exzellenzanspruch stellen / Studie zur Lehrerausbildung auf Lüneburger VBE-Fachtagung vorgestellt

(Berlin) - „Alle Lehramtsstudiengänge müssen an der Universität bleiben.“ Das forderte Bundesvorsitzender Ludwig Eckinger auf der heutigen (18. Juni) Fachtagung des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) zum Thema „Lehrerprofessionalität und Lehrerbildung“ in Lüneburg. „Die Autonomie der Universitäten darf nicht dazu missbraucht werden, sich unter dem Druck der Länderfinanzminister insbesondere der ungeliebten und prestigearmen Studiengänge für Grundschule und Sekundarstufe I zu entledigen“, sagte Eckinger vor Kultusbeamten, Erziehungswissenschaftlern und Lehrerbildnern aus den Bundesländern. Es sei eine schulgefährdende Interpretation des Bologna-Prozesses, wenn überlegt werde, nur auserwählten Lehramtsstudiengängen den Masterabschluss zuzubilligen. „Der VBE fordert für jeden Lehramtsstudiengang einen Masterabschluss“, betonte Eckinger. Das Kriterium für die Umstrukturierung in Bachelor- und Masterstudiengänge müsse unbedingt die Professionalisierung des Lehrerberufs sein. Ludwig Eckinger sprach sich auch dafür aus, gezielter für ein Lehramtsstudium zu werben. „Wir brauchen die bestgeeignetsten jungen Menschen im Lehrerberuf“, so Eckinger. „Das bedeutet nicht nur einen guten Notendurchschnitt, sondern zugleich die bewusste Entscheidung für den Beruf von Anfang an und notwendige personale Qualitäten wie zum Beispiel Konfliktfähigkeit, Stresskompetenz und Teamorientierung.“ Von den Universitäten verlangte Eckinger die Offenlegung ihrer Aufnahmekriterien, wenn sie Studenten selbst auswählen.

„Der Lehrerbildung muss endlich ein fester Ort an den Universitäten gegeben werden“, so der VBE-Bundesvorsitzende. „Dies kann nur ein ‚Haus der Lehrerbildung’ leisten, das für alle Lehramtsstudiengänge über Studium und Referendariat hinaus auch beim Lernen im Beruf erste Adresse bleibt.“ Unter einem solchen gemeinsamen Dach könnten Fachwissenschaften, Didaktiken und Erziehungswissenschaften zusammengeführt werden. Weiter sprach sich Eckinger für Kooperationsschulen aus, die als Bindeglied zwischen Forschung, Lehre und schulischer Praxis Impulse sowohl für die Theorie als auch für das praktische Handeln an den Schulen geben sollten. „Die Lehrerausbildung muss von Anfang bis Ende von der Verzahnung zwischen Theorie und schulischer Praxis bestimmt sein“, bekräftigte Eckinger. Dazu gebe es keine Alternative, denn Lehrerinnen und Lehrer müssten Experten für Unterricht und Erziehung sein.

VBE-Bundesvorsitzender Ludwig Eckinger bedauerte, „die Lehrerbildung selbst versteht sich immer noch zu wenig als Schlüssel für die notwendige Schulqualitätsentwicklung“. Als „unabdingbar“ bezeichnete es Eckinger, dass sich die Lehrerbildung in Forschung und Lehre dem Anspruch wissenschaftlicher Exzellenz stelle. „Nicht Provinzialität, sondern Öffnung der Lehrerbildung und der Berufswissenschaften zur internationalen Kooperation heißt die notwendige Konsequenz aus den deutschen PISA-Ergebnissen“, betonte Ludwig Eckinger. „Lehrerbildung muss ein attraktiver Ort pädagogischer Forschung und Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern sein. In die Überlegungen von Bund und Ländern, ein Netzwerk der Exzellenz zu schaffen und Spitzenförderung zu stärken, gehört deshalb unbedingt auch die Lehrerbildung. Sie darf nicht von vornherein ausgeblendet werden.“

Auf der Lüneburger Fachtagung wurden erstmals in Deutschland die Ergebnisse des DFG-Forschungsprojekts „Probleme des Erwerbs professioneller Kompetenz im Kontext universitärer Lehrerausbildung“ vorgestellt. Über drei Jahre untersuchten die Lüneburger Erziehungswissenschaftler Kurt Czerwenka und Karin Nölle Berufsanspruch, Wissen und Können von Studienanfängern und Absolventen von Lehramtsstudiengängen der drei Universitäten Fribourg (Schweiz), Lüneburg und Oldenburg. Im Mittelpunkt stand dabei die Befähigung durch das Studium, guten Unterricht halten zu können.

Erstaunlich für die Wissenschaftler war, dass bereits die Studienanfänger (82,7 Prozent) wie die späteren Absolventen (87,6 Prozent) die Vorstellung von einem methodisch abwechslungsreichen, schülerorientierten Unterricht haben. Hingegen zeigen die Studierenden wenig Interesse an der Problematik der Zensuren, der Lern- und Leistungskontrollen, obwohl diese Thematik im Schulalltag eine große Rolle spielt.

Ob und wie die Realisierung der studentischen Vorstellungen im Beruf gelingt, ist eine andere Frage. Es zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang mit den konkreten Studienbedingungen an den Universitäten. Nach einem herkömmlichen, wenig praxisorientierten Ausbildungsgang mit einem breit gefächerten Theorieangebot, wie er heute in den meisten Universitäten stattfindet, verfügten nur 18, 3 Prozent der Absolventen über theoretisch oder empirisch begründete Unterrichtsvorstellungen. In Ausbildungsgängen mit mehr integrierten Praxisstudien (Fribourg) beherrschen dies nahezu dreimal mehr.

Dabei zeigte sich deutlich: Wenn Theoriewissen nicht nur zusammenhanglos vorhanden sein, sondern zur Beurteilung von Unterrichtssituationen herangezogen werden soll, dann muss die Ausbildung Theorie und Praxis miteinander verbinden. Dies gelingt nach den Ergebnissen der Studie besser in Lehrerbildungseinrichtungen, in denen Theorie und Praxis in Seminaren und Kursen gemeinsam gelehrt und angewendet werden können oder in einer einphasigen Lehrerausbildung.

Als besonders bedeutsames Ergebnis stellte sich in der Studie heraus: Wer in der Lage ist, Unterrichtssituationen adäquat einzuschätzen, sie anhand vorliegender Theorien oder anderer Ergebnisse zu beurteilen und zu widerspruchsfreien Entscheidungen zu kommen, handelt in der schulischen Praxis auch entsprechend reflektiert. D.h., dass an der Hochschule erworbenes theoretisches Wissen durchaus für die Praxis fruchtbar werden kann, wenn das Wissen praxisbezogen angeeignet wurde. Wissen und Können fließen – entgegen vieler anderer Meinungen – durchaus im Lehrerhandeln zusammen. Lehrkräfte mit mehr realitätsadäquatem Wissen haben ein umfangreicheres Vorstellungs- und Handlungsrepertoire für den Unterricht.

Kurt Czerwenka, der beim VBE das Referat Hochschule/Lehrerbildung leitet, und Karin Nölle kommen zu dem Ergebnis, dass Berufsanfänger das realisieren, was sie wissen und können. „Alles spricht dafür“, so Kurt Czerwenka, „dass die Verzahnung von Theorie und Praxis von der 1. Phase der Lehrerausbildung an entscheidend für den späteren Erfolg im Beruf ist. Die Hochschullehre muss sich in diesem Sinne verändern, Bezug auf die Praxis nehmen, Analysen beispielhafter Unterrichtssituationen anbieten.“ Als „wesentlich“ bezeichnete es Czerwenka, nach der zweiten Phase der Ausbildung qualifizierte Unterstützungssysteme für die Berufsanfänger anzubieten. Es müsse ein Mentorensystem etabliert werden, das an die Universität angebunden sei.

Quelle und Kontaktadresse:
Verband Bildung und Erziehung e.V. (VBE) Behrenstr. 23-24, 10117 Berlin Telefon: 030/7261966-0, Telefax: 030/7261966-19

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