Pressemitteilung | DIHK - Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V.

Ludwig Georg Braun, Vorsitzender des Gemeinschaftsausschusses der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft zum Wahlaufruf der beteiligten Wirtschaftsverbände

(Berlin) - „Die Wirtschaft appelliert an die Bürger, ihr Wahlrecht zu nutzen und der neuen Bundesregierung einen klaren Reformauftrag zu geben. Wahlenthaltung oder die Stärkung von Parteien am politischen Rand helfen nicht weiter. Es liegt im Interesse nicht nur der Unternehmen, dass wir ein attraktiver Wirtschaftstandort mit einem leistungsfähigen Mittelstand bleiben. Nur dann werden wir die Wachstums- und Beschäftigungskrise überwinden können. Der Gemeinschaftsausschuss hat in seinem Wahlaufruf deshalb 7 Felder benannt, in denen die neue Bundesregierung entschlossen handeln muss.“

Gemeinschaftsausschuss der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft
„Wählen gehen – Reformen fordern“
Für einen attraktiven Wirtschaftsstandort Deutschland mit einem leistungsfähigen Mittelstand

„(…) Unser Land steht vor gewaltigen Aufgaben. Unsere Zukunft und die unserer Kinder stehen auf dem Spiel. Millionen von Menschen sind arbeitslos, viele seit Jahren. Die Haushalte des Bundes und der Länder sind in einer nie da gewesenen kritischen Lage. Die bestehende föderale Ordnung ist überholt. Wir haben zu wenig Kinder, und wir werden immer älter. Und wir müssen uns im weltweiten, scharfen Wettbewerb behaupten. In dieser ernsten Situation braucht unser Land eine Regierung, die ihre Ziele mit Stetigkeit und mit Nachdruck verfolgen kann. (…)“ (Bundespräsident Horst Köhler am 21. Juli 2005 anlässlich der Auflösung des 15. Deutschen Bundestages)

Die deutsche gewerbliche Wirtschaft teilt die Einschätzung des Bundespräsidenten: Wir haben keine Zeit zu verlieren – unser Land benötigt an zentralen Stellen weit reichende Veränderungen, um den Wohlstand seiner Bürger im Zeitalter der Globalisierung sichern und ausbauen zu können.

Wir rufen die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes auf: Machen Sie von Ihrem Wahlrecht Gebrauch und geben Sie einer neuen Regierung ein klares Mandat für Reformen! Nutzen Sie Ihr Wahlrecht, um die Zukunft Deutschlands zu gestalten und zu sichern!

Die Wirtschaft appelliert dabei an die Bürgerinnen und Bürger, die Wahlprogramme der Parteien kritisch zu prüfen, ob ihre Umsetzung einen Beitrag für Wachstum und Beschäftigung leisten kann. Protest sollte nicht durch Wahlenthaltung oder die Wahl von Parteien am linken wie rechten Rand artikuliert werden.

Aus Sicht der gewerblichen Wirtschaft muss die neue Regierung vordringlich folgende zentrale Reformen entschlossen umsetzen:1. Arbeitsmarkt entfesseln Die strukturellen Probleme auf dem Arbeitsmarkt müssen zügig behoben werden. Dazu gehört die Heraufsetzung des Schwellenwertes für die Anwendung des Kündigungsschutzes auf mehr als 20 Arbeitnehmer sowie die Ausdehnung der allgemeinen Wartezeit auf drei Jahre. Erst dann werden kleine und mittlere Unternehmen von der Komplexität des Kündigungsschutzrechts spürbar entlastet und die Hemmschwelle für Neueinstellungen abgesenkt. Unternehmen sollten zudem die Möglichkeit haben, sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse bis zu einer Dauer von fünf Jahren ohne Einschränkung unbürokratisch abschließen zu können. Für ein Beschäftigung förderndes Tarifvertragsrecht ist eine gesetzliche Klarstellung des Günstigkeitsprinzips, die betriebliche Bündnisse für Arbeit auf eine rechtssichere Grundlage stellt, dringend erforderlich.

2. Sozialsysteme modernisieren Vor allem der demografische Wandel erzwingt Strukturreformen in allen Zweigen der Sozialversicherung. Dazu gehören insbesondere die Abkopplung der Finanzierung der Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung vom Arbeitsverhältnis und der Ausbau der kapitalgedeckten Risikovorsorge. In der Arbeitslosenversicherung sind kurzfristig alle Einsparpotenziale auszuschöpfen, um die Beiträge unverzüglich senken zu können. Ineffiziente Instrumente der Arbeitsmarktpolitik müssen zurückgeführt werden. Denn gerade für die beschäftigungsintensiven mittelständischen Unternehmen sind die hohen Lohnzusatzkosten ein zentrales Beschäftigungshemmnis. In der Rentenversicherung ist es zudem unverzichtbar, das gesetzliche Eintrittsalter schrittweise auf 67 Jahre anzuheben.

3. Föderalismus erneuern Die Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern müssen entflochten werden. Die Zahl der zustimmungspflichtigen Gesetze ist viel zu hoch. Die Finanzverfassung ist zu modernisieren – durch eine klare Kompetenzverteilung, durch mehr Steuerautonomie für die Länder und durch die Neugestaltung des Länderfinanzausgleichs.

4. Staatsfinanzen sanieren Wachsende Verschuldung und steigende Zinslasten beschneiden die staatlichen Handlungsspielräume und gefährden letztlich die Stabilität des Euro. Im Bundeshaushalt 2005 sind mehr als 80 Prozent der Steuereinnahmen des Bundes für Sozialausgaben und für den Schuldendienst gebunden. Die mit der demografischen Entwicklung verbundenen zusätzlichen Lasten werden dieses Problem künftig noch verschärfen. An einer konsequenten Sanierung auf allen staatlichen Ebenen mit dem Ziel einer deutlichen Senkung der Staatsquote führt daher kein Weg vorbei.

5. Steuerreform anpacken Das deutsche Steuersystem muss wettbewerbsfähiger und somit wachstumsfreundlich werden. Die Unternehmen brauchen für ihre Investitionsentscheidungen eine verlässliche Perspektive auf Steuerentlastung und -vereinfachung. Unerlässlich hierfür ist die vollständige Integration der Gewerbesteuer in die Ertragsbesteuerung und der Verzicht auf Elemente der Substanzbesteuerung. Bei der Besteuerung privater Steuerpflichtiger ist ein fortschrittliches Steuersystem mit breiter Bemessungsgrundlage und niedrigem Steuersatz einzuführen, bei dem zugleich die zentralen Grundsätze wie Leistungsfähigkeit und Nettoprinzip deutlich herausgestellt werden. Eine Abgeltungssteuer vereinfacht die Besteuerung von Kapitalerträgen und sichert dem Staat schon kurzfristig ergiebige Einnahmen.

6. Entbürokratisierung forcieren Die Wirtschaft erwartet endlich spürbare Erfolge beim Bürokratieabbau. Die Unternehmen – insbesondere der Mittelstand – leiden unter der ungebremsten Regelungswut des Gesetzgebers. Um Ressortegoismen zu überwinden, muss Bürokratieabbau deshalb Chefsache werden. Zudem fordert die Wirtschaft eine konsequente Abschätzung der Folgekosten von Gesetzen für die Unternehmen und deren Berücksichtigung im Gesetzgebungsprozess. Gesetzliche Regelungen sollten, soweit möglich, zeitlich befristet werden.

7. Innovationsbremsen lösen Nur über Innovationen kann Deutschland mehr Wachstum und Beschäftigung in einem immer härter werdenden globalen Wettbewerb schaffen. Dazu bedarf es einer nachhaltigen Bildungs- und Innovationspolitik. Die allgemeinbildenden Schulen müssen die Berufsausbildungsfähigkeit aller Schulabgänger gewährleisten. Es darf nicht sein, dass jährlich 200.000 Jugendliche die Schulen verlassen, ohne richtig lesen, schreiben und rechnen zu können. Die Forschungspolitik muss eine effiziente Mittelverwendung sicherstellen und die mit Tabus gegenüber neuen Technologien mit hohem Wertschöpfungspotenzial aufräumt. Der Wettbewerb unter Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist zu stärken. Studiengebühren sind aus Sicht der Wirtschaft ein probates Mittel für mehr Qualität und Effizienz im Hochschulstudium.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) Breite Str. 29, 10178 Berlin Telefon: 030/203080, Telefax: 030/203081000

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