Pressemitteilung | Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed)

MedInform-Veranstaltung: Verstärkte Eigenverantwortung, Deregulierung und besserer Patientenschutz im Mittelpunkt

(Bonn) - Deregulierung, verstärkte Eigenverantwortung der Hersteller und besserer Patientenschutz sind die wichtigsten Stichworte bei den zum 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Änderungen im Medizinprodukterecht. Die neuen Regelungen wurden auf der MedInform*-Veranstaltung "Das neue MPG" in Bonn u. a. von den zuständigen Referatsleitern des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), Hans-Georg Will und Wilfried Reischl, vor über 100 Teilnehmern vorgestellt. Schwerpunkte waren dabei die Liberalisierung der Werbung für Medizinprodukte sowie die verschärften Anforderungen an die Aufbereitung von Medizinprodukten.

*MedInform ist der Informations- und Seminar-Service Medizintechnologie des BVMed

BMG-Referatsleiter Hans-Georg Will stellte das neue Medizinproduktegesetz (MPG), das am 1. Januar 2002 in Kraft trat, vor. Die Novellierung setzt europäisches Recht um, sorgt aber auch für eine "Nachjustierung" des Medizinprodukterechts aufgrund der bisherigen Erfahrungen sowie für eine Deregulierung und Straffung der Vorschriften. Als wichtigste Änderungen nannte Will u. a. - Einbeziehung der In-vitro-Diagnostika und der Medizinprodukte, die Plasmaderivate enthalten, in das Medizinprodukterecht; - strengere Vorschriften bezüglich der Aufbereitung von Medizinprodukten in Verbindung mit der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV), Einbeziehung in die behördliche Überwachung; - neue Regelungen zur CE-Kennzeichnung und zu privaten Prüfzeichen, die einen zusätzlichen Nutzen erzielen müssen; - liberalisierte Regelung der Werbung für Medizinprodukte durch differenzierte Einbeziehung in das Heilmittelwerbegesetz (HWG).

Ein weiterer Schwerpunkt der Ausführungen von Will war die künftige Regelungssystematik des Medizinprodukte-Überwachungssystems (Vigilanzsystem). Im Mittelpunkt steht dabei der Sicherheitsplan für Medizinprodukte. Der interne BMG-Entwurf befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung und soll in der zweiten Januarhälfte dem Bundesrat zugeleitet werden. Der Sicherheitsplan regelt u. a. die Meldung von Vorkommnissen und Rückrufen, die Risikobewertung durch die Behörden, korrektive Massnahmen sowie Unterrichtungspflichten und Informationsaustausch. Bei „Vorkommnissen“ liegen Produktfehler oder Fehlfunktionen vor, die zu gravierenden medizinischen Folgen geführt haben bzw. hätten führen können. Der Hersteller muss Vorkommnisse ebenso an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) melden wie die Betreiber und Anwender in Kliniken oder Arztpraxen. Damit soll die Meldepflicht doppelt abgesichert werden. Betreiber und Anwender müssen Vorkommnisse „unverzüglich“ melden. Eine „Vigilanzdatenbank“, die die Meldungen, die behördlichen Bewertungen und evtl. korrektive Massnahmen erfasst, wird beim Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) aufgebaut.

Wilfried Reischl, BMG-Referatsleiter „Betreiben von Medizinprodukten, Benannte Stellen, nationale Angelegenheiten“, wies auf die vollzogene Deregulierung z. B. durch Verzicht auf Gremien (Bund-Länder-Ausschuss und Ausschuss für Medizinprodukte), Streichung von Verordnungsermächtigungen oder Straffung von Vorschriften hin. Stattdessen bemühe man sich im Medizinproduktebereich um pragmatische, praxisnahe Lösungsansätze und eine verstärkte Selbstregulierung und Eigenverantwortung. Gleiches gelte für den Bereich „Werbung für Medizinprodukte“. Hier habe in der Vergangenheit das Problem fehlender Rechtsklarheit und unterschiedlichster Urteile bestanden. Seit dem 1. Januar 2002 gebe es nun die rechtliche Klarstellung, dass alle Medizinprodukte dem Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) unterfallen. Der Gesetzgeber hat aber gleichzeitig den Besonderheiten von Medizinprodukten und der gestiegenen Bedeutung neuer Medien wie dem Internet Rechnung getragen. Medizinprodukte sind deshalb Arzneimitteln nicht generell gleichgestellt, d. h., nicht alle Vorschriften des HWG gelten auch für Medizinprodukte. Als Beispiel nannte Reischl, dass Patienten Sachinformationen des Herstellers über ein künstliches Gelenk mit bildlichen Darstellungen und Krankengeschichten ausgehändigt werden dürfe. Der Hersteller von Medizinprodukten habe damit wesentlich mehr Möglichkeiten, sein Produkt darzustellen. Reischl: „Die Regelungen und Liberalisierungen beinhalten einen erheblichen Vertrauensvorschuss für die Medizinprodukteindustrie. Deshalb ist nun ein verantwortungsvoller Umgang mit den neuen Möglichkeiten in der täglichen Praxis erforderlich.“

Ein weiteres Schwerpunktthema war die Aufbereitung von Medizinprodukten. Das gesundheitspolitische Ziel sei dabei, trotz ökonomischer Interessen, die Stärkung des vorbeugenden Verbraucherschutzes. Zwar sei die Aufbereitung von Einmalprodukten nicht gesetzlich verboten. Aber die bereits hohen Anforderungen an die Aufbereitung von Einmalprodukten seien noch einmal verschärft worden. Auch externe Aufbereiter unterfallen nun der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) und der behördlichen Überwachung.

Die zentrale Bestimmung sei die Neueinfügung von § 4 Abs. 2 MPG. Demnach muss die Aufbereitung von Medizinprodukten unter Berücksichtigung der Angaben des Herstellers mit geeigneten validierten Verfahren so durchgeführt werden, dass der Erfolg dieser Verfahren nachvollziehbar gewährleistet ist und die Sicherheit und Gesundheit von Patienten, Anwendern oder Dritten nicht gefährdet wird. Eine ordnungsgemässe Aufbereitung kann dann vermutet werden, wenn die gemeinsame Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert-Koch-Institut (RKI) und des BfArM zu den Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten beachtet wird. Diese Bestimmung wird, bei entsprechender behördlicher Überwachung, dafür sorgen, dass z. B. viele Krankenhäuser nicht mehr aufbereiten werden können. Reischl: „Die verschärften Vorschriften zum Schutz der Patienten stehen und fallen nun mit der behördlichen Überwachung. Deshalb haben die Länder, die für die Überwachung zuständig sind, hier eine besondere Verantwortung.“

Dr. Jürgen Mikoleit vom Ministerium für Arbeit, Frauen, Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt stellte Veränderungen im Vollzug durch das neue Medizinprodukterecht aus Sicht der Länder dar. Beim Thema Aufbereitung gelte die neu eingeführte Anzeigepflicht für externe Aufbereiter von Medizinprodukten, die für andere aufbereiten. Das geforderte validierte Verfahren könnten eigentlich nur solche externen Dienstleister gewährleisten. Kleinere Einrichtungen bzw. Krankenhäuser könnten dies gar nicht leisten. Die Überwachung der Krankenhäuser erfolge im Rahmen der allgemeinen Überwachung der Anwender. In Sachsen-Anhalt gebe es derzeit eine Aktion zur Überwachung der Einhaltung der Betreiberverordnung in den Krankenhäusern und Arztpraxen. Dabei werde auch der Umgang mit Sterilisationsanlagen überprüft.

Die Marktüberwachung für Medizinprodukte durch das BfArM stellte Dr. Roger Grase dar, BfArM-Abteilungsleiter für Medizinprodukte. Das Bundesinstitut erfasse und bewerte zentral die Risiken beim Einsatz von Medizinprodukten. Ausschlaggebende Regelung sei dabei der sog. „Sicherheitsplan“, der demnächst in Kraft treten solle. Wichtig sei bei der Bewertung von gemeldeten Vorkommnissen eine gute Zusammenarbeit der Behörde mit dem Sicherheitsbeauftragten des Herstellers, der Angaben zum Produktrisiko machen und die einzelnen Schritte koordinieren müsse. Bei der Meldefrequenz sei ein permanenter Anstieg seit 1995 festzustellen. Im Jahr 2001 habe es knapp 2.000 Meldungen gegeben. Die grösste Zahl der Meldungen gebe es zu aktiven und nichtaktiven Implantaten, Injektionen/Infusionen sowie zur Elektromedizin.

Für Dr. Werner Stöber, Abteilungsleiter „Medizinische Dokumentation und Information“ beim DIMDI, sind die Konsequenzen durch das Zweite MPG-Änderungsgesetz ausgesprochen positiv. Das DIMDI habe nun klarere Rechtsgrundlagen und könne die Aktualität und Qualität der Daten erheblich verbessern. Ziel sei eine zentrale Datenbank, die von den Behörden im Rahmen der Überwachung genutzt werden könne. Die Hersteller sollen auf eigene Daten zugreifen können. Unsensible Daten sollen auch Dritten zur Verfügung gestellt werden. Die Datenbank umfasse derzeit 88.000 Datensätze. Die DIMDI-Verordnung, die regeln wird, wer welche Informationen an das DIMDI zu liefern hat, soll im dritten Quartal 2002 in Kraft treten. Um ein vernünftiges Medizinprodukte-Informationssystem auszubauen, benötige man allerdings ein europaweites Datensystem. Das entsprechende Projekt „EUDAMED“ werde aber wohl nicht vor 2003 fertiggestellt sein.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed) Reinhardtstr. 29 b 10117 Berlin Telefon: 030/2462550 Telefax: 030/24625599

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