Pressemitteilung |

Rentenreform bürokratisch und übermäßig komplex

(Bonn) - Als "Beschäftigungsprogramm für Verbraucher- und Steuerberater" hat der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände die am vergangenen Freitag vom Bundesrat verabschiedete Rentenreform bezeichnet. Zu vieles ist zu komplex geregelt. Notwendiger Verbraucher- und Anlegerschutz wurde nur ansatzweise aufgenommen.

Die Verbraucherverbände raten Verbrauchern, auf keinen Fall dem Drängen der zahllosen Vermittler und Anbieter nachzugeben, jetzt schon einen "Riester-geförderten" Vertrag abzuschließen.


Denn:

- die Förderung beginnt erst Anfang 2002, noch dazu auf niedrigem Niveau,

- für eine Werbung mit dem Verkauf eines "Riester-Produkts" ist die Zertifizierung des angebotenen Vertrages Voraussetzung. Diese Zertifizierung kann aber erst nach Abschluss der Gesetzgebung beginnen, wenn die Förderkriterien endgültig feststehen und konkrete (Muster-)Verträge bei der Zertifizierungsstelle beantragt und von dieser überprüft sind. Dies kann sich — je nach Datum der Antragstellung und nach Menge der zu prüfenden Verträge — hinziehen. Im Übrigen stellt die rein formale Zertifizierung kein Gütesiegel für das betreffende Produkt dar,

- viele Verbraucher haben bereits Verträge zur Altersvorsorge abgeschlossen; hier muss der Handlungsbedarf im Einzelfall geprüft werde. Überhaupt ist der Bedarf zu prüfen, welches Produkt für den Einzelnen in Frage kommt; dies kann auch ein nicht staatlich gefördertes Produkt oder eine betriebliche Altersversorgung sein.

Fazit: Erst einmal unabhängig beraten lassen, z. B. bei Verbraucher-Zentralen, und zusätzlich anbieterunabhängiges Informationsmaterial sichten, sobald verfügbar (beispielsweise Informationen des Bundesarbeitsministeriums und der Stiftung Warentest).

Das mit der Riester-Rente verfolgte Ziel ist begrüßenswert und unumstritten: Da die gesetzliche Rente tendenziell ein ausreichendes Versorgungsniveau immer weniger sicherstellen kann, will der Staat die Bürger beim Aufbau einer zusätzlichen Altersrente unterstützen und ihnen finanziell unter die Arme greifen. Hierfür hat er allerdings ein sehr kompliziertes Verfahren gewählt, das zwar im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens etwas vereinfacht wurde, aber nicht in ausreichendem Umfang.

Das Verfahren zur Be- und Abrechnung der Beiträge ist derart bürokratisch und komplex geregelt, dass ein hoher Abschreckungseffekt zu befürchten ist. Ohne vorherige Expertenhilfe sind gerade diejenigen Bürger verloren, die eine zusätzliche Altersvorsorge am nötigsten hätten. Altersvorsorgebeitrag und dessen Berechnung, Sonderausgabenabzug, Sockelbetrag, Mindesteigenbetrag, Grundzulage, Kinderzulage, Zulagenkürzung, Zulagenverteilung bei mehreren Verträgen, Zulagenberechtigung für Ehegatten, Entnahmemodell beim Wohneigentum sind nur einige Beispiele.


Die Kritikpunkte im Einzelnen

Die wesentliche Kritik der Verbraucherverbände bleibt trotz einiger positiver Anpassungen fortbestehen:

- Die stufenweise Aufbauphase binnen acht Jahren ist zu lang.

- Die Akzeptanz gerade bei den Gering- und Normalverdienern ist fraglich.

- Bei der Einbeziehung von Altverträgen bleiben Fragen offen; zudem gibt es hier nur eingeschränkte Informationspflichten der Anbieter.

- Es gibt keine Begrenzung der beim Abschluss bzw. beim Vertragswechsel entstehenden Kosten für die Verbraucher.

- Kontrollmechanismen zur Sicherung der Anlegerrechte und —gelder fehlen: z. B. ein Konkurssicherungsfonds für Versicherungsunternehmen oder Regelungen der Vermittlertätigkeit.

- Die Transparenz zum Produkt, zu Kosten und Kapitalentwicklung geht nicht weit genug.

- Es gibt keine Flexibilität gerade in der Auszahlungsphase, beispielsweise um sich einen Platz in einem Alters- oder Pflegeheim zu finanzieren.
Zuletzt wurde die Wohneigentumsförderung und hier das Entnahmemodell diskutiert. Dass sich die Bundesregierung hier bewegt hat, ist zwar ein Fortschritt. Jedoch ist das Entnahmemodell unausgegoren und dient als Beruhigungspille für die Öffentlichkeit.

Die Verbraucherverbände halten eine zusätzliche Förderung in diesem Bereich für sinnvoll. Hierfür hätte sich das gut und einfach funktionierende System der Eigenheimzulage und des Baukindergeldes — eventuell unter Einbau einer Missbrauchsklausel - angeboten. Der Versuch dagegen, Wohneigentum in das Korsett der Fördervoraussetzungen der Rentenreform zu pressen, ist nach Auffassung der Verbraucherverbände nicht gelungen.

Quelle und Kontaktadresse:
Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände e.V. (AGV) Heilsbachstr. 20 53123 Bonn Telefon: 0228/64890 Telefax: 0228/644258

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