Schadensersatz für Verbraucher durch Gruppenklagen verbessern
(Bonn) - Das Durchsetzen von Schadensersatzansprüchen soll für deutsche Verbraucher einfacher werden. Diese Forderung hat die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) erhoben und ein Gutachten vorgelegt, dass aufzeigt, wie die dazu notwendigen Änderungen in das deutsche Recht eingepasst werden können. "Das geltende Zivilprozessrecht bietet Geschädigten keine ausreichenden Möglichkeiten, berechtigte Ansprüche durchzusetzen. Bei Massenschäden muss es möglich sein, Verbraucherinteressen in einer Gruppenklage zu bündeln, und es sollte zweitens eine Verbands-Musterklage der Verbraucherverbände eingeführt werden" so das Fazit von Professor Astrid Stadler, Universität Konstanz, die das Rechtsgutachten für die AgV erstellt hat.
Die Bundesregierung muss jetzt die Chance nutzen, bei der geplanten Reform des Zivilprozessrechts grundlegende Verbesserungen für geschädigte Verbraucher einzuführen, forderte der Verbraucherrechtsexperte der AgV, Dr. Tobias Brönneke. Insbesondere bei schweren Massenschäden wie dem ICE-Unglück in Eschede vom Juni 1998 oder dem Concorde-Absturz vom Juli dieses Jahres wird es den Geschädigten bislang unnötig schwer gemacht, ihre Ansprüche durchzusetzen, weil das deutsche Recht keine Gruppenklage kennt. Daher sind für jede einzelne Klage erneute Beweisaufnahmen nötig, die das Verfahren unnötig verteuern und verzögern. In einem Gruppenverfahren würde es in solchen Fällen genügen, wenn die Unglücksursache einmal von einem Gutachterteam festgestellt wird. Von der heutigen komplizierten Rechtslage kann nur der Schädiger Vorteile erwarten, so Prof. Stadler. Denn wenn jeder einzelne Geschädigte ein Gerichtsverfahren zur Durchsetzung seiner Ansprüche anstrengen muss, werden viele diesen Schritt scheuen - aus Kostengründen oder weil sie sich den psychischen Belastungen des Gerichtsverfahrens nicht gewachsen fühlen.
Das Instrument der Gruppenklage sollte nach Meinung der AgV ergänzt werden durch Musterklagen nach österreichischen Vorbild. Dabei treten die betroffenen Verbraucher ihre Ansprüche an die Verbraucherschutz-Organisationen ab, die dann auch bei kleinen Streitwerten bis zur obersten Instanz gehen können, um so ein Grundsatzurteil zu erwirken. Dieses Verfahren ist vor allem dort unabdingbar, wo sehr viele Verbraucher von wettbewerbswidrigen Vertriebsmethoden eines unseriösen Anbieters geschädigt werden, erläutert AgV-Rechtsreferent Brönneke.
Beispiele gibt es zuhauf: unlautere Verkaufsmethoden, bei denen unseriöse Anbieter mit angeblichen Reisegewinnen auf Kundenfang gehen oder Trickbetrüger, die lukrative Jobs versprechen, wenn man vorab eine Gebühr bezahlt. Aber auch unzulässige Bankgebühren oder das Unterschreiten der auf der Warenpackung angegebene Füllmenge müssen die Kunden dann nicht länger klaglos hinnehmen.
"Bei uns hat sich die Verbands-Musterklage eindeutig bewährt", so die Erfahrung von Dr. Peter Kolba, Leiter der Rechtsabteilung beim österreichischen Verein für Konsumenteninformation (VKI). "In vielen Problembereichen des Verbraucherrechts - vom Reiserecht bis zu Bankverträgen - konnten wir grundlegende Urteile erzielen, die über den Einzelfall hinaus Wirkung zeigten. So mussten die österreichischen Reiseunternehmer Terror am Urlaubsort als Rücktrittsgrund von einer gebuchten Pauschalreise akzeptieren. Gemeinnützige Wohnungsbauträger wurden höchstrichterlich gezwungen, einbehaltene Skonti bei den Baukosten an die Wohnungskäufer bzw. Mieter weiterzugeben". Derzeit klagt der VKI mit guten Erfolgsaussichten gegen ein deutsches Versandhaus auf die Herausgabe von zugesagten Geldgewinnen. "Die Musterklagen sind ein wirksames Instrument, das ich nur zur Nachahmung empfehlen kann", stellte Kolba fest.
In Deutschland sind solche Musterklagen bislang nicht möglich. Zwar können wir hierzulande per Unterlassungsklage gegen unzulässiges Geschäftsgebaren vorgehen, erläuterte Verbraucherschützer Brönneke. Diese Unterlassungsklagen haben aber gravierende Lücken. Insbesondere können die Verbraucherverbände damit nicht erreichen, dass die unseriösen Geschäftemacher verurteilt werden, den geschädigten Verbrauchern ihr Geld zurückzuzahlen.
Mit relativ geringem gesetzgeberischem Aufwand ließe sich die Musterklage in das deutsche Recht einführen, betonte Prof. Stadler. Neben der Reform der Zivilprozessordnung, die ohnehin auf der Tagesordnung steht, muss das völlig veraltete Rechtsberatungsgesetz angepasst werden. Es verhindert bislang eine Bündelung von Gläubigerinteressen und damit effizientere Formen der Prozessführung im Interesse des Anwaltsmonopols. Das Bundesjustizministerium sollte auch beim Prozessrecht eine Reform aus einem Guss anstreben, so die Forderung der AgV. Die Stellung der Verbraucher im Gerichtsprozess muss grundlegend gestärkt werden. Daher sollte jetzt nicht nur die Zivilprozessordnung sondern auch das Rechtsberatungsgesetz reformiert werden.
Quelle und Kontaktadresse:
Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände e.V. (AGV)
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