Pressemitteilung | Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) - Bundesgeschäftsstelle

Sommertheater auf dem Rücken der Pflegebedürftigen?

(Hamburg) - Empörung herrscht in einem kleinen familiären Pflegeheim in einer Kleinstadt am Rande Hannovers. Wieder einmal ist von Skandalen in Pflegeheimen im Radio zu hören und in der Zeitung zu lesen. Mit pauschalen Anschuldigungen ziehen die Pflegekassen – mit dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) im Schlepptau - über Pflegekräfte und Einrichtungen her. "Man traut sich nicht einmal mehr, seinen Beruf zu nennen, ohne Angst zu haben in die Ecke von Kriminellen gerückt zu werden" sagt die Altenpflegerin Sabine K.

Jeden Morgen um 6.00 Uhr, wenn andere noch schlafen, beginnt ihr Dienst, der auch jedes zweite Wochenende sowie drei Tage im Monat Nachtwache einschließt. Und wenn Frau Meyer aus Zimmer vier in Tränen ausbricht, wenn Schwester Sabine nach acht Stunden Dienst Feierabend machen will, bleibt sie häufig noch ein wenig länger. "Natürlich", sagt sie, ist mir das Wohlbefinden und die persönliche Betreuung unserer Bewohner wichtiger als eine pflegewissenschaftlich exakte Dokumentation, von welcher Seite ich Frau Meyer gewaschen habe. Wenn die Pflegekassen das bemängeln, dann ist das formal zwar richtig, aber mit dem Wohl des Patienten und dem wirklichen Leben sowie den Bedürfnissen unserer Bewohner hat das nur wenig zu tun."

Hintergrund

Die Verbände der Pflegekassen haben bei Prüfungen in ca. 85 Pflegeheimen in Niedersachsen Qualitätsmängel festgestellt. Nach Ansicht des IKK-Landesverbandes Niedersachsen sind diese Ergebnisse repräsentativ für alle 1.116 Pflegeheime in Niedersachsen.

Der eigentliche Skandal dieser Meldung ist allerdings, dass diese Mängel in der Zeit von Mai 2000 bis April 2001 festgestellt wurden. Die Pflegekassen sprechen von "gefährdender Pflege, die so gravierend sein kann, dass Menschen zu Schaden kommen können" - stellen dies aber erst anderthalb Jahre nach den Prüfungen fest.

bpa-Präsident Bernd Meurer verurteilt dieses Verhalten scharf:

"Sollten die Pflegekassen tatsächlich gravierende Mängel mit Schäden für die Bewohner festgestellt haben, ist es ein Skandal, dass anscheinend 15 Monate nicht gehandelt wurde. Darüber hinaus stellt sich die Frage, warum die Pflegekassen erst annähernd vier Monate nach Abschluss der Untersuchung ausgerechnet im sog. Sommerloch den Pflegeheimen über die Presse Sanktionen androhen. Entweder es bestand Gefahr an Leib und Leben der Pflegebedürftigen, dann wurde hoffentlich vor über einem Jahr unverzüglich gehandelt, wenn man sich nicht dem Vorwurf der Mittäterschaft ausgesetzt sehen möchte. Oder aber es gab nur kleinere Mängel in den Einrichtungen, die keine Auswirkungen auf die Unversehrtheit der Bewohner haben, dann wäre die späte Reaktion der Pflegekassen erklärlich, aber die Skandalisierung völlig überflüssig."

Der Bundesverband privater Alten- und Pflegeheime und ambulanter Dienste (bpa) verwahrt sich daher gegen eine pauschale Verurteilung der niedersächsischen Heime aufgrund von Untersuchungsergebnissen, die weder den Pflegeheimen oder Verbänden noch dem Landespflegeausschuss jemals zur Kenntnis gegeben wurden.

"Wer Qualitätsmängel in Pflegeeinrichtungen beseitigen oder aber die Qualität verbessern möchte, findet unsere volle Unterstützung. Aber das Vorgehen der niedersächsischen Pflegekassen können wir nicht nachvollziehen." so bpa-Präsident Bernd Meurer.

Darüber hinaus stellen sich nach Ansicht des bpa weitere zu klärende Fragen:

- Warum sind auf einmal ein Drittel aller stationären Einrichtungen mangelhaft? Warum hat der seit fünf Jahren zuständige MDK nicht schon längst eingegriffen und bei jedem Einzelfall reagiert, und damit die angeblichen Mängel im Ausmaß unverzüglich begrenzt?

- Bedeutet das Ergebnis der Untersuchung, dass die Pflegekassen der Heimaufsicht - als seit Jahrzehnten zuständige Behörde - vorwerfen, solche Zustände nicht erkannt zu haben bzw. zu dulden?

- Warum wird die Untersuchung geheim gehalten und nicht veröffentlicht? Wie sollen dann die Mängel beseitigt werden und die Qualität verbessert werden, wenn den betroffenen Einrichtungen und ihren Verbänden das Ergebnis vorenthalten wird?

- Was sind im einzelnen die behaupteten Mängel? Welche Tatbeständebetreffen tatsächlich die Ergebnisqualität der Pflege?

Sollten wirklich Pflegebedürftige gefährdet gewesen sein, so wie es die Pflegekassen behaupten, muss nach Ansicht des bpa der MDK sofort einschreiten. Bei den Mängeln muss aber unterschieden werden, ob tatsächlich das gesundheitliche Wohl der Bewohner gefährdet ist oder ob beispielsweise ein Pflegeleitbild nicht vollständig vorhanden war.

"Wir stellen uns daher mit allem Nachdruck vor die breite Masse der Pflegekräfte und Einrichtungen, die tagtäglich Ihr Bestes für das Wohl der Pflegebedürftigen geben und weisen in deren Interesse eine pauschale Kriminalisierung der Pflege aufs Schärfste zurück." So Bernd Meurer.

Für den bpa ist klar: In jeder Pflegeeinrichtung muss der Qualitätsstandard nach dem Pflegeversicherungsgesetz gewährleistet sein. Um dieses zu erreichen ist aber die Zusammenarbeit von Pflegekassen, Bewohnern sowie den Einrichtungen und deren Verbänden erforderlich. Wir brauchen dafür nicht mehr und schärfere Gesetze, sondern eine sachliche Analyse und eine qualifizierte gemeinsame Aufbereitung und Beseitigung von Mängeln, ohne vor der Frage der Finanzierbarkeit Halt zu machen.

bpa-Präsident Bernd Meurer abschließend:

"Wenn wir allerdings erst aus der Presse von pauschalen Mängelvorwürfen erfahren, die nur gemeinsam gelöst werden können, trägt das nicht zu einer effektiven Zusammenarbeit im Sinne der Pflegebedürftigen bei, sondern verunsichert Bewohner sowie Angehörige und frustriert die Pflegekräfte und Einrichtungen. In den Mittelpunkt der Diskussion muss das Wohlbefinden des Bewohners rücken und nicht die Auseinandersetzung um Pflegetheorien!"

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband privater Alten- und Pflegeheime und ambulanter Dienste e.V. (bpa), Bundesgeschäftsstelle Oxfordstr. 12-16 53111 Bonn Telefon: 0228/604380 Telefax: 0228/6043899

NEWS TEILEN: