Pressemitteilung | Sozialdienst katholischer Frauen Gesamtverein e.V. (SkF)

Stiefkindadoptionen in nichtehelichen Familien / Kindeswohl muss im Mittelpunkt stehen

(Dortmund/Freiburg) - Stellungnahme des Sozialdienstes katholischer Frauen Gesamtverein e.V. in seiner Funktion als Zentrale Fachstelle für die Adoptions- und Pflegekinderdienste in katholischer Trägerschaft anlässlich der öffentlichen Anhörung als Sachverständige im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Bundestages am 29.01.2020 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung "Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Ent-scheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 26.03.2019 zum Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien":

"Wir bedanken uns für die Möglichkeit, der Stellungnahme und Anhörung als Sachverständige.

I Allgemeine Anmerkungen

Aufbauend auf unseren Kommentierungen zum Diskussionsentwurf sowie zum Referentenentwurf halten wir die Regelungsvorschläge des Gesetzentwurfs zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.03.2019 für überzeugend.

Wir halten es weiterhin für richtig, dass sich der Gesetzentwurf auf die Öffnung der Stiefkindadoption für nichteheliche Partner_innen beschränkt. Wir sähen anderenfalls die Gefahr, dass bei einer gleichzeitigen Öffnung der Fremdadoption für nichteheliche Paare adoptionsspezifische Qualitätskriterien und Erfahrungen gegenüber dem Beweggrund der Gleichstellung von nichtehelichen und ehelichen Familien aus dem Fokus gerieten. Dies gilt umso mehr, als dass dies unter großem Zeitdruck der Um-setzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts geschähe. Aus unserer Sicht trägt der Gesetzentwurf überzeugend dem Umstand Rechnung, dass die Überlegungen des Bundesverfassungsgerichtes zum Kindeswohl bei Kindern, die bereits dau-erhaft mit der nichtehelichen Partnerin/dem nichtehelichen Partner eines Elternteils zusammenleben, sich nicht unmittelbar auf die Beurteilung des Kindeswohls bei ei-ner gemeinsamen Fremdadoption durch nichteheliche Partner_innen übertragen lassen.

Bezüglich des Erfüllungsaufwandes werten wir es als positiv, dass der Gesetzentwurf gegenüber dem Referentenentwurf nun einen höheren Erfüllungsaufwand von 10 Stunden für die Adoptionsdienste in öffentlicher und freier Trägerschaft ansetzt. Allerdings bleibt dieser Rahmen insofern zu eng, als damit die dringend notwendige nachgehende Begleitung und Beratung aller an der Stiefkindadoption Beteiligten nicht gewährleistet ist.

Dass das Regelbeispiel des Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt, welches als ein Kriterium für eine verfestigte Lebensgemeinschaft vom Gesetzgeber vorgesehen ist, in seiner zeitlichen Dauer nun auf vier Jahre erhöht wurde, halten wir für sinnvoll.

Es bleibt jedoch fraglich, ob die Generalverweisung auf die Vorschriften der Stiefkindadoption bei Ehegatten im Gesetzestext (in der Praxis) hinreichend deutlich macht, dass eine verfestigte Lebensgemeinschaft lediglich als Anknüpfungspunkt für eine Stiefkindadoption in Betracht kommt.

Ausschlaggebend für den Ausspruch einer Stiefkindadoption bleibt die gesetzlich vorgeschriebene Einzelfallprüfung, ob die Annahme des Kindes dem Kindeswohl dient und zwischen der nichtehelichen Partnerin/dem nichtehelichen Partner und dem Kind eine Eltern-Kind-Beziehung entstehen kann. Eine Stiefkindadoption ist ein nicht widerrufbarer, sehr tiefer Einschnitt in Biographieverläufe.

Daher möchten wir als Zentrale Fachstelle für die Adoptionsvermittlungsstellen in katholischer Trägerschaft über das hier konkrete Regelungsvorhaben hinaus an den Gesetzgeber appellieren, eine Verbesserung der rechtlichen Ausgestaltung und Absicherung sozialer Elternschaft von Stiefelternteilen zu prüfen. Aufgrund unserer Beratungspraxis gehen wir davon aus, dass dies Stiefkindadoptionen zum Teil überflüssig machen könnte.

Mit Blick auf die geplante Änderung bei Auslandsbezug im Annahmeverfahren geben wir ausdrücklich zu bedenken, dass die Anknüpfung der Zustimmung des Kindes und eines Elternteils nach Heimatrecht kinderrechtlich eine wichtige Schutzfunktion hat. Auch für einen gelingenden Adoptionsprozess kann dies bedeutsam sein.

II Zu den Regelungen im Einzelnen

1. § 1766a BGB-Entwurf

Die Regelungen zur Zulässigkeit der Annahme Minderjähriger sind in § 1741 BGB geregelt. In dieser Vorschrift finden sich auch die grundsätzlichen Regelungen, wer zu einer Annahme eines Minderjährigen berechtigt ist. Es stellt sich die Frage, ob die Regelungen der Annahme von Kindern der nichtehelichen Partnerin/des nichtehelichen Partners systematisch nicht besser im Anschluss an diese Norm zu verorten wären.

Wir treffen in unserer Beratungs- und Begleitpraxis bei Stiefkindadoptionen häufig auf ein gewisses Unverständnis des Paares gegenüber der gesetzlich vorgeschriebenen Einzelfallprüfung der Kindeswohldienlichkeit. Unserer Einschätzung nach dürfte sich diese Tendenz nach gesetzlicher Regelung für nichteheliche Familien noch verstärken. Durch eine Anbindung an § 1741 BGB würde möglicherweise allein durch die Stellung der Vorschrift deutlicher, dass die Voraussetzungen des § 1741 Abs. 1 BGB bei einer Annahme von Kindern der nichtehelichen Partnerin/des nichtehelichen Partners selbstverständlich ebenfalls gegeben sein müssen. Im Gesetzentwurf wird darauf nur in der Begründung hingewiesen.

2. § 1766a Abs. 2 BGB-Entwurf

Die im Gesetzentwurf aufgeführten Regelbeispiele sind geeignet, auf eine verfestigte und damit auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft zu schließen. Allerdings hielten wir es für wichtig, dass bereits im Gesetzestext und nicht nur in der Begründung ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass auch beim Vorliegen der Regelbeispiele die Paarbeziehung im Hinblick auf die angestrebte Adoption im Adoptionsverfahren durch die Adoptionsvermittlungsstelle geprüft werden muss.

Die Erfahrungen aus der Praxis der (katholischen) Adoptionsvermittlungsstellen zeigen, dass bei Stiefkindadoptionen auch kindeswohlfremde Motive eine Rolle spielen können, (u.a. zukünftige Rolle des anderen Herkunftselternteils, Stiefkindadoption als Bekenntnis zum Partner/zur Partnerin,...).

3. Anmerkungen zu den Ausführungen zum Erfüllungsaufwand unter VII 4. c) bb) Der Gesetzesentwurf setzt als durchschnittlichen Zeitaufwand beim Jugendamt/der Adoptionsvermittlungsstelle nun 10 Stunden für die Begleitung einer Stiefkindadoption an. Wir werten es ausdrücklich als positiv, dass auf diese Weise der Kritik auch der Adoptionsvermittlungsstellen in katholischer Trägerschaft an der Berechnung im Referentenentwurf mit lediglich fünf Stunden Rechnung getragen wurde.

Insbesondere mit Blick auf die geplanten gesetzlichen Änderungen eines Rechtsanspruchs auf nachgehende Begleitung aller an einer Adoption Beteiligten bleibt der zugrunde gelegte Erfüllungsaufwand allerdings zu niedrig (vgl. Entwurf "Adoptionshilfe- Gesetz"; § 9a AdVermG-E). Bei den von uns begleiteten und durchgeführten Stiefkindadoptionen stellen wir fest, dass eine Offenheit für eine möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt notwendige Beratung häufig fehlt. Dabei können, z.B. während der Pubertät des angenommenen Kindes, dessen Fragen nach der eigenen Herkunft genauso wie in anderen Adoptionsfamilien zu Dynamiken in der Familienkonstellation führen.

Die Sensibilisierung für solche Themen bindet Ressourcen der Fachkräfte in den Adoptionsvermittlungsstellen. Schließlich legt die Tonalität der Erläuterungen zum berechneten Erfüllungsaufwand aus unserer Sicht auch eine Lesart nahe, nach der es sich hier lediglich um eine Maximalannahme und dies auch nur für einen begrenzten Zeitraum handeln könne. So ist etwa von einer gegebenenfalls gewünschten Beratung des Annehmenden im Vorfeld der Adoption" die Rede.

Wir würden es begrüßen, wenn mit Blick auf das Kindeswohl auf die Notwendigkeit einer solchen Beratung hingewiesen wird. Dass sich ein erhöhter zeitlicher Aufwand für die zusätzliche Prüfung zur Ermittlung der Stabilität der Paarbeziehung "zumindest für die Anfangszeit" nach Gesetzeseinführung ergibt, halten wir nicht für nicht schlüssig. Dies stellt eine kontinuierliche ressourcenintensive Aufgabe der Fachkräfte dar.

4. Art. 23 EGBGB

Wir sprechen uns für die Beibehaltung des Art.23 EGBGB aus, um für die Anknüpfung der Zustimmung des Kindes und eines Elternteils das Heimatrecht des Kindes weiter aufrechtzuerhalten. Dies stellt eine Schutzfunktion vor ungewollter Adoption dar. Auch halten wir mit Blick auf das anzunehmende Kind eine Akzeptanz der Adoption im Herkunftsland für nicht unerheblich. Dies gilt etwa für dessen biographische Auseinandersetzung mit dem Annahmeprozess oder möglichen späteren Kontakten zu Mitgliedern der Herkunftsfamilie im Ausland.

Quelle und Kontaktadresse:
Sozialdienst katholischer Frauen Gesamtverein e.V. (SkF) Nadine Mersch, Referentin, Öffentlichkeitsarbeit Agnes-Neuhaus-Str. 5, 44135 Dortmund Telefon: (0231) 5570260, Fax: (0231) 55702660

(sf)

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