Pressemitteilung | Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)

Unbezahlte Mehrarbeit auf dem Vormarsch

(Berlin) - Die Anzahl der geleisteten Überstunden in Deutschland hat sich seit Anfang der 90er Jahre leicht erhöht. Bei Vollzeitbeschäftigten übersteigt die tatsächliche Arbeitszeit den Umfang der vertraglich geregelten Wochenstunden um durchschnittlich 2 ½ Stunden. Diese Überstunden werden in der Regel nicht bezahlt, sondern mit Freizeit abgegolten oder gar nicht kompensiert. Zu diesem Ergebnis kommt das DIW Berlin in seinem aktuellen Wochenbericht 15-16/2006. Die Analyse zeigt, dass der Trend in Richtung flexiblerer Arbeitszeiten längst eingesetzt hat. Bei einer wachsenden Anzahl von Berufen steht die Erfüllung bestimmter Aufgaben anstelle der vertraglichen Arbeitszeit im Vordergrund.

Für Vollzeitbeschäftigte in Westdeutschland ist der Anteil der bezahlten an den gesamten Überstunden von fast 50 Prozent zu Anfang der 90er Jahre auf 15 Prozent im Jahre 2005 gesunken. Auch in Ostdeutschland, wo Anfang der 90er Jahre ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer durchschnittlich noch knapp eine bezahlte Überstunde pro Woche arbeitete, wurde die bezahlte Mehrarbeit in ihrer Bedeutung vor allem von den mit Freizeit kompensierten Überstunden abgelöst. Sowohl die Häufigkeit als auch die durchschnittliche Anzahl der Überstunden ist für niedrigqualifizierte Arbeiter am geringsten und am höchsten für hochqualifizierte Angestellte. Hier leisten mehr als 60 Prozent der Beschäftigten Überstunden, in der Regel ohne direkte Entlohnung: Im Jahr 2005 erhielt knapp ein Fünftel der hochqualifizierten Angestelltengar keine Überstundenkompensation, während 30 Prozent ihre Überstunden auf Arbeitszeitkonten verbuchten. Das DIW Berlin verweist auf die Schätzungen verschiedener Studien, die zeigen, dass der Freizeitausgleich oftmals nicht in vollem Umfang in Anspruch genommen wird.

Nach Berufsgruppen aufgeschlüsselt sind es insbesondere Manager, die über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg am häufigsten Überstunden leisteten: Im Jahre 2005 waren dies 82 Prozent der Beschäftigten, davon über die Hälfte mit unentgeltlicher Mehrarbeit. Den größten Anteil an bezahlter Mehrarbeit findet man bei den Handwerksberufen. Im Jahre 1991 erhielten weit über die Hälfte dieser Beschäftigten eine Vergütung ihrer Überstunden. Aber auch hier sind die Zahlen rückläufig.

Grundlage der Analyse sind die repräsentativen Daten des vom DIW Berlin in Zusammenarbeit mit Infratest Sozialforschung erhobenen Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Zwar weisen die vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) durchgeführten Arbeitszeitberechnungen seit Jahren einen Rückgang der bezahlten Überstunden in Deutschland aus. Doch gibt es keine amtliche Statistik, die unbezahlte Überstunden und den gesamten Umfang von Guthaben auf Arbeitszeitkonten erfasst. Im SOEP hingegen werden alle Formen der Mehrarbeit unabhängig von ihrer Kompensationsform erhoben.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Renate Bogdanovic, Referentin, Pressestelle Königin-Luise-Str. 5, 14195 Berlin Telefon: (030) 89789-0, Telefax: (030) 89789-200

(bl)

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