Pressemitteilung | Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV)

Versammlungsfreiheit schützen statt verhindern!

(Berlin) - Statement von Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler, Mitglied des Ausschusses Gefahrenabwehrrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV):

Das geplante NRW-Versammlungsgesetz wird seit der Veröffentlichung des CDU/FDP-Entwurfs scharf kritisiert. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) warnte in seiner Pressemitteilung Nr. 22/2021 davor, Bürger:innen durch einschneidende Begleitmaßnahmen von der Ausübung ihres Grundrechts abzuhalten. Die schwarz-gelbe Landesregierung hat nun selbst einen Änderungsantrag formuliert, der auf einige Kritikpunkte eingeht. Am Mittwoch werden die Änderungen im Innen- und Rechtsausschuss besprochen und voraussichtlich in der kommenden Woche im Landtag in zweiter Lesung abgestimmt. Der DAV sieht die Vorschläge weiterhin kritisch:

"Die Änderungsanträge sorgen an einigen Stellen für Entschärfung, etwa bei der einheitlichen Kleidung oder in Teilen beim Störungsverbot. Aber auch hier gibt es Unsicherheiten. In der Gesamtschau stellt sich das Versammlungsgesetz NRW weiterhin als Maßnahmenpaket dar, das eher der Versammlungsvermeidung dient als der geregelten Ausübung eines Grundrechts. Es fehlt an einer umfassenden Entkriminalisierung des Versammlungsrechts."

Im Einzelnen

"Positiv ist etwa die Abschwächung des ursprünglich formulierten 'Militanzverbots' - nunmehr wird hier zu Recht unterschieden: Gleichartige Kleidung als Ausdruck einer gemeinsamen Meinungsäußerung ist etwas anderes als eine Uniformierung zum Ausdruck der Gewaltbereitschaft. Nur wenn in der gleichen Bekleidung eine Einschüchterungswirkung der Demonstrierenden zum Ausdruck kommt, soll nun das Verbot greifen. Zu begrüßen ist zwar auch die Klarstellung, dass sich das 'Störungsverbot' nicht auf normale Gegendemonstrationen bezieht. Es sorgt dennoch weiter für Rechtsunsicherheit: Sind kritische Zwischenrufe bei der Kundgebung eines Politikers künftig nun unzulässige Störungen oder grundrechtlich geschützte Meinungsäußerungen? Bislang galt auch in NRW das Verbot 'grober Störungen' - dazu hat die Rechtsprechung klare Abgrenzungen entwickelt. Das Gesetz sorgt für Rechtsunsicherheit, wenn diese Grenze verschoben werden soll.

Die Pflicht zur Benennung eines Versammlungsleiters soll bei sogenannten 'Spontandemos' nun wegfallen. Wenn man bedenkt, in welch seltenen Fällen eine Versammlung wirklich als spontan anzusehen ist, wird hier nur wenig gewonnen. Das Gesetz hat auch die Chance zur Entkriminalisierung des Versammlungsrechts nicht genutzt: Die Leitung einer nicht angemeldeten Versammlung soll in NRW als Straftat verfolgt werden, während dies in Bayern eine bloße Ordnungswidrigkeit darstellt. Auch die Voraussetzungen zu Bild- und Tonaufnahmen sowie Drohneneinsätzen der Polizei mögen auf dem Papier nun minimal höher sein. An der einschüchternden Wirkung möglicher Aufzeichnungen ändert das wenig. Bürgerinnen und Bürger könnten von der Teilnahme an einer Versammlung abgeschreckt werden oder sich innerhalb dieser nicht frei bewegen."

Rechtsanwalt Achelpöhler war in der öffentlichen Anhörung im Innenausschuss im Mai als Sachverständiger geladen.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV) Pressestelle Littenstr. 11, 10179 Berlin Telefon: (030) 7261520, Fax: (030) 726152190

(sf)

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