Pressemitteilung | Verband der Landwirtschaftskammern e.V. (VLK)

Wirtschaftsjahr der Extreme

(Berlin) - Auf der Basis der Buchführungsergebnisse des Vorjahres 2006/07 legen die Landwirtschaftskammern ihre Prognose über die wirtschaftliche Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe für das laufende Wirtschaftsjahr vor.

Gestiegene Erzeugerpreise für Getreide, Raps, Mais und Milch ermöglichen es im Acker- und im Futterbau ein deutlich besseres Unternehmensergebnis als in den Vorjahren zu erzielen. Demgegenüber wird die Veredlungswirtschaft vom Tief der Schweine- und Ferkelpreise wie auch von hohen Futter- und Energiekosten getroffen. So laufen die meisten Sauenhalter Gefahr, rote Zahlen zu schreiben.

Je nach Region gehen die Tendenzen in unterschiedliche Richtungen. Weitgehend veredlungsfreie Gebiete können von einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation ausgehen. In den Hochburgen der Schweinehaltung sind die Verluste aus der Veredlung so stark, dass dort mit drastisch sinkenden Unternehmensergebnissen zu rechnen ist.

Unterdurchschnittliche Getreideerträge

Der Vegetationsverlauf zur Ernte 2007 war gekennzeichnet durch einen milden Winter, extreme Trockenheit im April, sowie durch zum Teil schwierige Erntebedingungen im Sommer. Das führte zu einer deutlich unter dem Durchschnitt liegenden Ernte bei Getreide und Raps.
Genügend Niederschläge im Spätsommer und Frühherbst führten zu deutlich besseren Erträgen als im Vorjahr bei Zuckerrüben, Kartoffeln und Mais.
So wurden zwar Rekordernten - speziell bei Zuckerrüben - gemeldet, jedoch fehlte die Sonne. Daher waren die Pflanzen nur bedingt in der Lage ihr genetisches Potential auszuschöpfen, so dass die Zuckergehalte unter denen des Vorjahres lagen.

Agrarmärkte für pflanzliche Produkte überwiegend freundlich

Angesichts weltweit geräumter Getreidelagerbestände, eines zunehmenden Bedarfs an Non-food-Getreide sowie zunehmender Globalisierung der Märkte haben sich die Erzeu-gerpreise für Getreide in einem nicht erwarteten Ausmaß nach oben entwickelt. Nach Beobachtungen der Landwirtschaftskammern sind die Preise um 60 bis 80 Prozent gestiegen. Auch die Preise für Raps und Mais legten kräftig zu.
Die Freude der Ackerbauern wurde getrübt durch die Senkung des Basispreises für Zuckerrüben um 9,5 Prozent sowie durch deutliche Preiseinbußen bei Speisekartoffeln und freier Kartoffelware von bis zu 40 Prozent.

Die Milch macht’s

Während die Milchpreise in den Vorjahren stagnierten, zog die Auszahlung seit Mitte 2007 spürbar an. Zwischenzeitlich konnte die Grenze von 40 Cent je kg Milch überschritten werden. Vor allem eine weltweit gestiegene Nachfrage nach Magermilchprodukten führte zu einem auch hier zu Lande spürbaren Preisanstieg. Die Landwirtschaftskammern be-zweifeln allerdings, dass dieses Niveau bundesweit bis zum Ende des Wirtschaftsjahres Bestand hat. Daher wird in der Prognose mit einer vergleichsweise moderaten Preiserhö-hung von 25 bis 30 Prozent – bzw. von 7 bis 8 Cent je kg abgelieferte Milch – gerechnet.
Das Angebot von Alt- bzw. Schlachtkühen hat mittlerweile nachgegeben. Bullenpreise werden den Status quo halten. Die Kälberpreise werden deutlich unter Vorjahr liegend notiert.

Schweinepreise im Keller

Schon im zurückliegenden Wirtschaftsjahr 06/07 begannen die Schweinepreise in eine Talsohle abzurutschen. Bei Schlachtschweinen gaben die Preise um 1 bis 2 Prozent nach. Die Ferkelerzeuger mussten um 2 bis 3 Prozent rückläufige Preise hinnehmen.
Leider hat sich diese negative Entwicklung nochmals verschärft, so dass sich bereits jetzt schmerzhaft niedrige Erzeugerpreise für das gesamte Wirtschaftsjahr 07/08 vorhersehen lassen. Besonders die Sauenhalter leiden unter mehr als 20 Prozent niedrigeren Ferkelpreisen, zu denen eine rentable Produktion nicht mehr möglich ist. Ihre Berufskollegen, die sich auf die Schweinemast verlegt haben, müssen mit vier Prozent niedrigeren Preisen wirtschaften.
Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass vor allem kleinere Betriebe die Schweinehaltung einstellen. Weitere werden folgen. Für die zweite Hälfte des Wirtschaftsjahres ist auf Grund der Viehzählungsergebnisse vom November 2007 mit leichten Marktentlastungen zu rechnen, so dass die Chance besteht, dass die Preise die Talsohle durchschritten haben.

Betriebsausgaben im Pflanzenbau steigen

Für das laufende Wirtschaftsjahr sind weiter steigende Kosten zu erwarten. Vor allem durch die Getreidepreissteigerungen sind die Ausgaben für Saatgut um voraussichtlich 30 Prozent gestiegen. Bei Düngemitteln werden die hohen Energiekosten einen erneuten Preisanstieg von geschätzten 12,5 Prozent bewirken. Der Pflanzenschutzaufwand wird bei weiter normalem Witterungs- und Krankheitsverlauf nur ca. zwei Prozent höher ausfallen. Insgesamt muss mit einer Verteuerung des Spezialaufwands in der Bodenproduktion von circa sechs Prozent gerechnet werden.

Ausgaben für die Tierhaltung laufen davon

Wesentlich härter betroffen durch zunehmende Betriebsausgaben ist die tierische Produktion. Speziell die steigenden Getreidepreise werden die Futtermittel um 40 bis 50 Prozent verteuern, was vor allem die Veredlung betrifft.
Deutlich gesunken sind allein die Ferkelpreise, die bei den Schweinemästern zu einer teilweisen Entlastung führen. Dagegen sind Zuchtfärsen rar und teuer geworden.
Wie im Vorjahr müssen die Betriebe höhere Ausgaben bei den Energiekosten verkraften. Erneut teurer werden Diesel, Heizstoffe und Strom. Das trifft die Tierproduktion härter als den Pflanzenbau.
In den Regionen mit Blauzungenkrankheit müssen die Rinderhalter mit deutlich höheren Tierarztkosten rechnen.

Steigende Festkosten vor allem beim Acker- und Futterbau

Die gute Liquidität bei Acker- und Futterbau-Betrieben lässt eine zunehmende Investitionsbereitschaft - vor allem bei dringend erforderlichen Ersatzinvestitionen - vermuten. Speziell bei Futterbaubetrieben dürften Investitionen in der Futter- und Arbeitswirtschaft (Melktechnik) im Vordergrund stehen. Demzufolge sind in diesen Betriebsgruppen höhere Aufwendungen für Abschreibungen und Unterhaltung von Maschinen, technischen Anlagen und Gebäuden zu erwarten, die fünf bis zehn Prozent über 2006/07 liegen dürften.
Das Fremdkapital wird steigen und der Zinsaufwand zunehmen. Speziell Veredlungsbetriebe sind aufgrund ihrer Liquiditätsengpässe auf Überbrückungskredite angewiesen.

Ackern macht wieder Spaß

Die spezialisierten Ackerbaubetriebe können absolut zufrieden sein. Das Unternehmensergebnis des Vorjahres wird um fast ein Drittel überboten.
Sehr stabil erweisen sich die Ackerbau-Gemischtbetriebe aufgrund gestiegener Einnah-men bei Getreide, Mais, Raps und Feldgemüse trotz deutlich geringerer Umsätze im Kartoffelbau.
Dagegen werden die Unternehmensergebnisse der Getreide-Betriebe durch die höheren Preise außerordentlich zulegen. Die Hackfruchtbetriebe verzeichnen trotz der überdurchschnittlichen Rübenernte und der hohen Getreideumsätze ein Plus von nur 30 Prozent.
Der Zeitpunkt der Getreidevermarktung hat einen zunehmenden Einfluss auf die Rentabilität im Getreidebau.

Milch Top, Fleisch Flop

Die Landwirtschaftskammern erwarten, dass die Milchvieh haltenden Betriebe weiter wachsen werden. Ein höheres Produktionsaufkommen, leichte Preisverbesserungen für Schlachtkühe aber vor allem die guten Milchpreise schaffen Bedingungen, die es ermögli-chen, die Unternehmensergebnisse um rund 50 Prozent zu steigern. Somit wird wieder eine Milcherzeugung möglich, die die Vollkosten deckt, und Voraussetzungen für Investitionen oder Tilgung schafft. Nach einem bereits befriedigenden Vorjahr können sich die Milchviehhalter aktuell von den finanziell schwierigen Jahren der Vergangenheit wirt-schaftlich erholen.
Anders sieht das bei denjenigen aus, die sich auf die Rindfleischproduktion konzentriert haben. Hier ist nach zwei guten Vorjahren ein Rückgang des Gewinns von 20 Prozent errechnet worden. Stagnierende Rindfleischpreise sowie um neun Prozent höhere Be-triebsausgaben sind die Ursache dieser Negativentwicklung.

Ein schlimmes Jahr für die Veredlung

Bei gut 20 Prozent niedrigeren Ferkelpreisen sind vor allem die Sauenhalter drastisch betroffen. Nach drei befriedigenden Jahren folgt 2007/08 die „magerste“ Etappe seit 1998/99. Es drohen „rote Zahlen“, das heißt, die Betriebe beenden das Wirtschaftsjahr mit Verlusten.
Bei Schweinefleisch gibt der Preis um drei bis vier Prozent nach. Höhere Umsatzerlöse im Ackerbau schaffen es nur zum Teil, die Mindererlöse aus der Schweinemast und die ge-stiegenen Futterkosten aufzufangen.

Unkomplizierteste Weinlese seit langem

Die Weinlese 2007 kann getrost als die unkomplizierteste seit langem bezeichnet werden. Ein milder Vorwinter, der „Jahrhundertapril“ und die gute Witterung im Sommer und Frühherbst sorgten für gesundes Erntegut und für eine frühzeitige Lese. Die Erntemenge lag um rund 14 Prozent über der des Vorjahres. Auch die Qualitäten waren gut.
Eine qualitativ und quantitativ gute Ernte in Verbindung mit stabilen Preisen wird für das Wirtschaftsjahr 2007/2008 zu einem deutlich steigenden Unternehmensergebnis im Weinbau führen.

Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt

Im Durchschnitt aller Betriebe und Regionen werden sowohl ansteigende als auch abfal-lende Unternehmensergebnisse geschätzt.
In Bundesländern mit einem beachtlichen Bestand an Schweinen wird eine nur geringfü-gige Veränderung des Gewinns vorhergesehen. Die Nettorentabilität über alle Betriebs-formen liegt hier zwischen 80 und 85 Prozent. Diese Kenngröße zeigt, dass weiterhin kei-ne volle Entlohnung der Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital zu erzielen ist. Die Eigenkapitalbildung wird auf gut 3.000 EUR je Betrieb prognostiziert, was als viel zu gering zu bewerten ist.
Anders stellt sich die Situation in den Regionen bzw. Ländern dar, die vor allem durch den Ackerbau und durch die Milchvieh-Haltung gekennzeichnet sind. Die positive Preisentwicklung für Getreide, Raps und Milch ermöglicht es, ein deutlich besseres Unternehmensergebnis zu realisieren. In diesen Gebieten wird erstmals eine angemessene Entlohnung der eingesetzten Produktionsfaktoren erreicht.

Falls die in der Prognose unterstellen Annahmen annähernd zutreffen, wird das Wirtschaftsjahr 2007/08 als ein Abrechnungszeitraum der extrem gegenläufigen Einkommensentwicklungen in die Wirtschaftsstatistik eingehen.

Quelle und Kontaktadresse:
Verband der Landwirtschaftskammern e.V. (VLK), Haus der Land- und Ernährungswirtschaft Pressestelle Claire-Waldoff-Str. 7, 10117 Berlin Telefon: (030) 31904-512, Telefax: (030) 31904520

(tr)

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