Verbändereport AUSGABE 9 / 2010

Das Lobbygespräch – die hohe Schule der politischen Überzeugung

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Wer politische Entscheidungen beeinflussen will, gleich auf welcher Ebene, muss mit den verantwortlichen Politikern sprechen. In der Lobbyarbeit gilt das Motto „Talk, don’t write“. Was einfach klingt, ist in der Praxis jedoch alles andere als leicht. Aus langjähriger Beratungspraxis wissen wir, dass das Potenzial von Lobbygesprächen von Verbandspräsidenten und Hauptgeschäftsführern nur selten ausgeschöpft wird. In der Regel beschränken sich diese auf die Vorstellung ihres Verbandes und das nachdrückliche Vortragen der eigenen Positionen und Forderungen. Oft enden die „Gespräche“ danach bereits, ohne dass ein Dialog überhaupt begonnen hätte.

In diesem Aufsatz wollen wir kurz skizzieren, wie ein idealtypisches Lobby-gespräch vorbereitet, durchgeführt und nachbereitet werden kann. Dabei sind wir uns der Grenzen sehr bewusst, die die gewählte Form des Aufsatzes mit sich bringt. Gesprächskompetenz lässt sich nicht durch Textlektüre, sondern nur durch praktisches Training gewinnen.

Vorbereitung

Ein Lobbygespräch kann nur dann zu einem Dialog werden, wenn die Verbandsdelegation genau weiß, wer die Person oder die Personen auf der Gegenseite sind. Es ist deshalb unabdingbar, in einer (Internet-)Recherche Informationen über den oder die Gesprächspartner zu ermitteln und in einem kurzen „Steckbrief“ zusammenzutragen. Dabei sollten die persönliche und die politische Biografie, die Verortung im politischen Spektrum sowie Persönliches wie Hobbys und besondere Interessen beleuchtet werden. Aus diesen Aspekten ergeben sich oft Anknüpfungspunkte für das Lobbygespräch oder Hinweise darauf, welche Argumente am ehesten geeignet sind, den Gesprächspartner zu überzeugen.

Im Bundestag und im Europäischen Parlament verfügen alle Parlamentarier über eine persönliche Homepage, einen Eintrag auf den Internetauftritten des jeweiligen Parlaments sowie der entsprechenden Fraktion. Es lohnt sich durchaus, alle diese Informationsquellen auszuwerten, da sich die enthaltenen Informationen oft unterscheiden. So sind beispielsweise auf persönlichen Homepages meistens deutlich mehr Informationen über Privates und Ausbildung der Abgeordneten zu finden als auf den eher formal gehaltenen Parlamentsseiten.

Zusätzlich empfiehlt sich auch eine kurze Internetrecherche hinsichtlich der Themen, mit denen der Gesprächspartner in letzter Zeit in der Presse aufgetreten ist. Oft lassen sich auch zwischen den Zeilen der Artikel wichtige Schlüsse hinsichtlich politischer Orientierung und Prioritäten ziehen.

Auch die inhaltliche Dimension des Gespräches bedarf einiger Vorbereitung. Zunächst einmal sollte man eine Agenda für das Gespräch vorbereiten, in der alle Punkte, die angesprochen werden müssen, aufgeführt sind. Diese Agenda sollte man vorab dem Gesprächspartner zukommen lassen, damit dieser sich auf die einzelnen Punkte vorbereiten kann. Zusätzlich kann man dem Gesprächspartner im Voraus grundlegende Informationen über den eigenen Verband zuschicken.

Ausgehend von den Informationen, die über die Einstellungen des Gesprächspartners gesammelt wurden, gilt es zudem abzuwägen, welche Argumente der eigenen Position — in der Regel vorab in verbandsinternen Strategiepapieren niedergelegt — bei ihm am wirksamsten sind. Die Entscheidung, ob man beispielsweise ökonomische, soziale oder ökologische Argumente in den Vordergrund stellt, kann je nach politischer Orientierung und persönlichen Interessen des Gesprächspartners unterschiedlich ausfallen.

Vorab sollte man sich auch mit möglichen Gegenargumenten beschäftigen, die möglicherweise vom Gesprächspartner hervorgebracht werden könnten. Auf Einwände und Widersprüche vorbereitet zu sein und ihnen überzeugend begegnen zu können, vermittelt Kompetenz und vermeidet unangenehme Situationen während des Gespräches.

Einstieg und Vorstellung

Es ist nicht möglich, ein Generalrezept für den Einstieg in ein Lobbygespräch zu beschreiben. Oft können aber bei der Informationssammlung während der Gesprächsvorbereitung festgestellte Gemeinsamkeiten mit dem Gesprächspartner — etwa Herkunft oder Hobbys — aufgegriffen werden. Auch Bezüge zum Wahlkreis des jeweiligen Abgeordneten sind ein möglicher Einstieg, mit dem die Atmosphäre zunächst aufgelockert und eine persönliche Beziehung hergestellt werden kann.

Am Beginn des Gespräches steht natürlich auch die Vorstellung. Zunächst einmal gilt es dem Politiker zu vermitteln, mit wem er es zu tun hat — sowohl persönlich als auch die Organisation betreffend, die Sie vertreten.

Bei der Vorstellung des Verbandes sollte man einen möglichst kompakten Überblick geben, der dem Gesprächspartner -eine Einordnung ermöglicht. Die einzelne Ausgestaltung der Vorstellung hängt individuell vom Charakter, der Struktur und der Zielsetzung der einzelnen Organisation ab. Außerdem sollte man wiederum die Interessen, Positionen und Eigenschaften des Gesprächspartners in Betracht ziehen und in die Gestaltung der Vorstellung einfließen lassen. Wichtigster Grundsatz bezüglich der Vorstellung ist die Beschränkung auf die wesentlichen Punkte. Ihrem Gesprächspartner reicht es, grundlegende Fakten zu erfahren.

Verbandsanliegen und Argumente

Die Besprechung der inhaltlichen Punkte ist sicherlich der entscheidende Teil eines Lobbygesprächs: Hier muss das eigene Anliegen überzeugend dargestellt und mit Argumenten unterfüttert werden. Ziel ist es, Zustimmung beim Gesprächspartner zu generieren, die dieser dann in politische Aktivität, beispielsweise die Aufnahme bestimmter Passagen in einen Gesetzesentwurf oder die Einbringung eines Änderungsvorschlages in einem Parlamentsausschuss, umsetzt.

Zu jedem Einzelthema sollte zunächst eine kurze Einführung gegeben werden. Dann sollte man die eigene Position zum Thema vortragen. Hier gilt, Position, Kritik und Änderungswünsche klar und deutlich zu äußern. Eine Diskussion auf einer eindeutigen Basis ist für beide Seiten zielführender als eine verschlungene und undeutliche Positionierung. Zu viel Diplomatie ist dabei nicht sinnvoll. Dem Gegenüber ist bewusst, dass Sie als Interessenvertreter mit bestimmten Vorstellungen und Anliegen ins Gespräch gehen und ihn überzeugen wollen.

Die Überzeugung des Gesprächspartners wird jedoch nur auf der Basis einer soliden Argumentation gelingen. Hier macht sich eine gute Planung bezahlt: Es gilt, die während der internen Positionsbildung sowie der individuellen Gesprächsvorbereitung erarbeiteten Argumente sinnvoll einzusetzen. Auf die Einwände des Gegenübers sollte man möglichst vorbereitet sein und auf jeden Fall aufmerksam darauf eingehen. Nur wenn die Argumente und Bedenken des Gesprächspartners ernst genommen werden und ihnen angemessen begegnet wird, kann man ihn von der eigenen Position überzeugen und die Ziele des Lobbygespräches erreichen.

Im Lobbygespräch ist es entscheidend, politisch zu argumentieren. Es geht darum, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie beide Seiten von einem bestimmten Vorschlag profitieren könnten. Außerdem ist zu bedenken, dass politische Gestaltung ausschließlich mit entsprechenden Mehrheiten funktioniert. Die aktive gemeinsame Suche nach ebendiesen Mehrheiten führt am ehesten zu einer Win-win-Situation und erhöht die Erfolgschancen des Lobbygesprächs beträchtlich. Wenn der Gesprächspartner erkennt, dass Sie sich in seine Lage versetzen können und seine Motivationen und Zwänge berücksichtigen, steigert sich Ihre Akzeptanz als Gesprächspartner beträchtlich.

Wichtig für eine fruchtbare Zusammenarbeit ist es also, dem Gesprächspartner eine Lösung für die Anliegen, die man vorgetragen hat, anzubieten. Kritisiert man etwa eine bestimmte Klausel eines Gesetzesentwurfes, so sollte man einen Vorschlag machen, wie der betreffende Artikel verändert werden könnte, möglichst mit konkreten Formulierungsvorschlägen. Zusätzlich muss man auch darauf vorbereitet sein, dass die eigene Position und die ursprünglichen Lösungsvorschläge beim Gegenüber keine Zustimmung finden. Der Gesprächspartner kann schlicht und einfach anderer Meinung sein und sich von den Argumenten nicht überzeugen lassen. Oder aber politische Erwägungen verhindern eine Zustimmung in einem bestimmten Punkt. In diesem Fall sollte man Kompromisspositionen und Vorschläge bereithalten, die man alternativ diskutieren kann. Gegebenenfalls kommt es über diese „abgemilderten“ Positionen zu einer inhaltlichen Einigung.

Wie bei der Vorstellung der eigenen Organisation gilt auch bei der inhaltlichen Information: Beschränkung auf das Wesentliche. In vielen Fällen ist es nicht notwendig, die eigene Position und die zugrunde liegenden Beweggründe bis ins letzte Detail zu erläutern. Wenn die Äußerungen und Reaktionen des Gesprächspartners darauf hindeuten, dass er die Meinung und Argumente verstanden hat, sind weitere eigene Ausführungen entbehrlich. Politiker sind es gewohnt, Sachverhalte und Positionen auf der Basis relativ weniger Informationen zu erfassen und zu bewerten. Insofern besteht oft die Gefahr, mit zu viel Detailäußerungen eine Übersättigung und damit Widerstand zu erzeugen.

Positionspapiere

Sollten Sie über schriftliche Unterlagen — etwa ein Positionspapier oder ein Dossier mit Hintergrundinformationen — verfügen, ist es in der Regel besser, dieses nicht zu Beginn des Gespräches zu präsentieren. Einerseits lenken schriftliche Unterlagen, die parallel zum Gespräch gelesen werden, den Gegenüber ab, der sich dann weniger auf Ihre Äußerungen konzentriert. Andererseits erlaubt Ihnen das rein mündliche Agieren, flexibler auf den Verlauf des Gespräches zu reagieren und auf den Gesprächspartner einzugehen. Durch eine schriftlich fixierte Argumentation nehmen Sie sich diesbezüglichen Spielraum. Auch behalten Sie sich somit die Möglichkeit vor, die Unterlagen nochmals zu verändern, sollten sich im Gespräch neue Aspekte oder Argumente ergeben. In diesen Fällen sollte ein nach dem Gespräch angepasstes Dokument nachgereicht werden. Sind keine Änderungen erforderlich, können die mitgeführten Unterlagen immer noch am Ende des Gespräches übergeben werden.

Nachfragen zu Inhalten und Positionen

Um das angestrebte Ziel, die Überzeugung des Gesprächspartners, zu erreichen, ist es wichtig, das Lobbygespräch als Dialog zu gestalten und nicht als einseitigen Vortrag über die Anliegen der eigenen Organisation. Entwickelt sich ein solcher Dialog nicht selbstständig, kann der Verbandsvertreter dies durch gezielte Nachfragen stimulieren.

Um die Wirkung der eigenen Argumentation zu bewerten und auszuloten, in welcher Richtung eventuell weiterer Überzeugungsbedarf besteht, ist es notwendig, den Gesprächspartner aktiv nach dessen inhaltlicher Einschätzung zu fragen. So erfahren Sie, ob bei ihm eine grundsätzliche Zustimmung oder Ablehnung zu den vorgetragenen Positionen herrscht und in welchen Punkten Abweichungen in den Einschätzungen bestehen.

Ebenso sollte man explizit nach Begründungen für abweichende Meinungen fragen. Nur wenn diese bekannt sind, kann man angemessen mit eigenen Argumenten reagieren. Durch diese Nachfragen entsteht auch ein besserer Eindruck davon, welche Art von Argumenten beim Gesprächspartner am wirksamsten ist.

Die Kenntnis der generellen und spezifischen Bewertung der besprochenen Themen durch den Gesprächspartner ist unerlässlich, um im Nachgang des Gespräches dessen Wirkung und den Erfolg bewerten zu können. Diese Evaluation des Gesprächs macht es möglich, das weitere Vorgehen individuell festzulegen.

Nachfragen zum Prozess

Außer zu Inhalten und Positionen sind Nachfragen, die sich auf die politischen Prozesse und die politische Situation im Bereich der diskutierten Themen beziehen, von großer Bedeutung. Damit weist sich der Verbandsvertreter als Profi aus und signalisiert indirekt, dass er sich in die Position des Gesprächspartners versetzen kann und diesem helfen will, Lösungen zu finden. Gezielte Fragen, die für die Einschätzung der politischen Situation zu einem bestimmten Thema wichtig sind, beziehen sich beispielsweise auf den aktuellen Status im Gesetzgebungsverfahren, innerhalb der Ministerialbürokratie oder in parlamentarischen (Vor-)Beratungen. Um hier sicher agieren zu können, gehört die Kenntnis der politischen Prozesse zum absolut grundlegenden Handwerkszeug für jeden Interessenvertreter. Dies gilt sowohl für formale Abläufe als auch für die informellen Aspekte des politischen Betriebs. Weiterhin sind Fragen nach den Positionen anderer politischer Akteure (Fraktionen, einzelne Abgeordnete etc.), nach Ergebnissen informeller Beratungen oder nach bisherigen und künftigen Gesprächspartnern des Gegenübers für die genaue Einschätzung der politischen Situation nützlich. Politiker sind extrem gut vernetzt und informiert und können daher zu einem massiven Erkenntnisgewinn beitragen. Daher ist es auch sinnvoll, den Gesprächspartner um Hinweise zum weiteren Vorgehen beim Lobbying zu bitten: Welche Akteure spielen im Thema eine bedeutende Rolle? Welche weiteren Gesprächspartner sind zu empfehlen? Wer ist potenzieller Partner oder bedeutender Gegenspieler? Fragen zu Inhalten, zum politischen Prozess oder hinsichtlich konkreter Hilfe müssen übrigens nicht nur auf das eigentliche Gespräch beschränkt bleiben. Auch nach dem Gespräch kann man mit seinen Anliegen auf den Abgeordneten oder seine Mitarbeiter zugehen, wenn erst mal ein stabiles Vertrauensverhältnis aufgebaut wurde.

Nachbereitung

Nach dem Gespräch sollte in allen Fällen eine schriftliche Rückmeldung per Brief oder E-Mail beim Gesprächspartner erfolgen. Darin sollte sich der Verbandsvertreter nochmals für das Gespräch bedanken. Ebenso sollte ein solches Schreiben eine kurze Zusammenfassung des Gespräches beinhalten, in der die angesprochenen Themen sowie die grundsätzlichen Aussagen der Gesprächspartner genannt werden. Sollten im Gespräch Absprachen über ein weiteres Vorgehen — beispielsweise Folgetermine etc. — getroffen worden sein, ist es sehr wichtig, diese hier nochmals schriftlich zu fixieren.

Mit dem Dankschreiben sollten gegebenenfalls noch Unterlagen übersandt werden. Dies kann etwa ein Positionspapier sein, das nicht während des Termins übergeben wurde. In vielen Fällen bittet der Gesprächspartner während des Termins auch um Hintergrundinformationen zu Aspekten, die während des Gespräches zur Sprache kommen, beispielsweise wenn auf bestimmte Studien Bezug genommen wird. Auch diese sollten mit dem Dankschreiben verschickt werden.

Unabhängig vom Inhalt und Ergebnis dient ein Lobbygespräch auch immer dazu, Kontakt zu einem Politiker oder Beamten herzustellen oder zu vertiefen. Um die Wirkung dieses persönlichen Kontaktes, der auch bei zukünftigen Projekten nützlich sein kann, möglichst lange zu konservieren, ist eine langfristige und kontinuierliche Kontaktpflege erforderlich.

Resümee

Erfolgreiches Lobbying ist nur möglich durch professionell geführte Lobbygespräche. Diese müssen jeweils individuell vorbereitet und gestaltet werden. Der Charakter der eigenen Organisation, die eigene Position und die Eigenschaften des Gesprächspartners bestimmen hierbei den genauen Ablauf. Lobbygespräche helfen, die eigene Position zu vermitteln und Entscheidungen zu beeinflussen. Sie dienen aber auch dem Aufbau persönlicher Beziehungen zu Entscheidungsträgern und tragen dazu bei, das eigene Netzwerk zu erweitern und zu festigen.

Aufgrund der Verschiedenheit der Gesprächspartner und der Unterschiedlichkeit einzelner Gesprächssituationen sollten die Vorschläge, die wir in diesem Aufsatz machen, nicht als unveränderliches Schema angesehen und starr umgesetzt werden. Sie sollen vielmehr als erster Leitfaden dienen und eine Anregung sein, die eigene Gesprächsstrategie kritisch zu reflektieren und zu optimieren.

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Autor/in

Hubert Koch

ist Public-Affairs-Experte und Lobbyist.  Dr. Koch war selbst zehn Jahre Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Präsidiums eines Industrieverbandes. Mit der Dr. Koch Consulting e.K. unterstützte er viele Jahre Verbände bei der Entwicklung und Durchführung von Lobbyprojekten auf nationaler und europäischer Ebene.

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