Verbändereport AUSGABE 6 / 2005

Das neue Wettbewerbsrecht – Verantwortung und Chance für Verbände

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Die Reform des Wettbewerbsrechts hat die Rechte von Verbänden gestärkt. Das im Sommer 2004 novellierte „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ (UWG) schützt Kunden und Wettbewerber vor unfairen Geschäftspraktiken. Bei der Information über die rechtlichen Grenzen von Werbung und der gerichtlichen Verfolgung von Verstößen kommt den Verbänden eine führende Rolle zu.

Wettbewerbsrecht – Ausrichtung und Zweck

Unternehmen konkurrieren. Im täglichen Wettbewerb ringen sie um Kunden, Absätze und Märkte. Auch Mitglieder von Verbänden versuchen dabei, ihre Position gegenüber den Wettbewerbern auszudehnen und möglichst viele Kunden zum Erwerb der angebotenen Waren oder Dienstleistungen zu bewegen. Dieser Kampf wird regelmäßig mit harten Bandagen geführt. Auch der Einsatz unfairer Mittel – sinnbildlich gesprochen: von Tiefschlägen im Wettbewerb – bleibt nicht aus.

An dieser Grenze kommt das Wettbewerbsrecht ins Spiel. Es richtet sich gegen unfaire Wettbewerbshandlungen und verbietet diese. Dazu versucht es, die Schwelle zum „Tiefschlag“ zu erfassen, also die fairen von den unfairen Verhaltensweisen im Wettbewerb zu unterscheiden. In der Entwicklung des Wettbewerbsrechts ist dabei zusätzlich zum Schutz der Unternehmen auch der Schutz der Marktgegenseite – also der Abnehmer – gegen unfaire Verhaltensweisen aufgegriffen und integriert worden. Im Ergebnis soll durch den Schutz dieser beiden Gruppen das Interesse der Allgemeinheit an unverfälschtem Wettbewerb gewahrt werden.

Schutz der „ehrlichen“ Wettbewerber

Der Schutz der Unternehmer gegen unfaire Handlungen orientiert sich am Grundgedanken des idealen, unverfälschten Wettbewerbs. Danach sollen Unternehmen die Abnehmer durch Preis und Qualität ihrer Leistungen zur Abnahme derselben bewegen. Das entspricht natürlich nur bedingt der Realität des Wettbewerbs, in dem Wettbewerber ihre Maßnahmen auch bewusst gegeneinander richten. So gehört es zu den alltäglichen Vorgehensweisen, Angestellte der Konkurrenten abzuwerben, sich bei der Entwicklung neuer Produkte an den bereits vorhandenen zu orientieren, bewusst die Preise der Konkurrenten zu unterbieten (evtl. sogar unter Einstandspreis zu verkaufen) und Aussagen über das Unternehmen, die Produkte oder die Person des Mitbewerbers zu verbreiten.

Einerseits gebietet die marktwirtschaftliche Grundordnung den Wettbewerb der Ideen und reizt zu neuartigen, aggressiven Werbestrategien. Andererseits darf der „ehrliche Kaufmann“ nicht gegenüber unlauter handelnden Wettbewerbern benachteiligt werden. Juristisch ist zu beurteilen, wann derartige Handlungen als unfair betrachtet werden müssen. Als unfair gelten Verhaltensweise gegenüber Unternehmen, wenn die Art und Weise der Handlung oder ihr Zweck das Ideal des unverfälschten Wettbewerbs grob verletzen.

Die zu treffende Abwägung stellt sich in Bezug auf die soeben genannten Beispielsfälle wie folgt dar: Die Entwicklung ähnlicher Produkte findet ihre Grenze in einer vermeidbaren Täuschung der angesprochenen Abnehmer über deren Herkunft, vgl. § 4 Nr. 9a UWG. Das Unterbieten der Preise von Mitbewerbern wird als unlauter angesehen, wenn Waren dauerhaft unter Einstandspreis verkauft werden, gerade um einen Mitbewerber aus dem Markt bzw. in den Bankrott zu drängen. Diese Konstellation ist ein Fall der gezielten Mitbewerberbehinderung, § 4 Nr. 10 UWG.

Bei der Beurteilung der Abwerbung von Mitarbeitern wird zumindest der Fall der Abwerbung ganzer Abteilungen, durch die der Unternehmensbetrieb des Konkurrenten maßgeblich beeinträchtigt wird, als unlauter im Sinne einer Mitbewerberbehinderung – wiederum § 4 Nr. 10 UWG – betrachtet. Aussagen über das Unternehmen, die Produkte oder die Person eines Mitbewerbers sind schließlich nicht zulässig, wenn sie geeignet sind, den Betrieb des Konkurrenten oder dessen Kredit zu gefährden und nicht erweislich wahr sind, § 4 Nr. 8 UWG.

Schutz der Verbraucher

Der Schutz der Verbraucherinteressen durch das Wettbewerbsrecht basiert auf dem Gedanken, dass die Verbraucher eine wesentliche Funktion für den (idealen) Wettbewerb ausüben, indem sie die durch die Unternehmen angebotenen Leistungen nach Qualität und Preis beurteilen. Diese Funktion können Verbraucher nur ausfüllen, soweit ihrerseits eine freie und rationale Willensbildung gewährleistet ist.

In der Natur des Wettbewerbs liegt es auf der anderen Seite, dass Unternehmen versuchen, die Verbraucher durch verschiedenste Maßnahmen zum Erwerb ihrer Produkte zu bewegen. In der Praxis geht es häufig darum, potentielle Kunden durch entsprechend günstige Angebote zunächst in die Verkaufsräumlichkeiten zu „locken“, sie bereits durch geschaltete Werbeanzeigen vom Erwerb des Produkts zu überzeugen oder durch Gewinnspiele zum Erwerb zu bewegen.

In der Beurteilung dieser wiederum im Wirtschaftsleben alltäglichen Verhaltensweisen steht aus wettbewerbsrechtlicher Sicht der Grad der Einflussnahme auf die bereits genannte Freiheit der Willensbildung im Mittelpunkt. So wird es im Hinblick auf so genannte „Lockvogelangebote“ als irreführend und damit unlauter angesehen, wenn die beworbenen Waren nicht in angemessener Menge zur Befriedigung der zu erwartenden Nachfrage vorhanden sind, vgl. § 5 Abs. 5 UWG.

Werbung hat generell weiterhin der Wahrheit zu entsprechen, darf also nicht so formuliert sein, dass die angesprochenen Abnehmer durch die gemachten Angaben ein unzutreffendes Bild von der angebotenen Leistung entwickeln, vgl. § 5 UWG. Gewinnspiele sind grundsätzlich zulässig. Die Teilnahme darf jedoch in der Regel nicht vom Erwerb von Waren abhängig gemacht werden, § 4 Nr. 6 UWG. Zudem müssen die Teilnahmebedingungen klar und eindeutig gefasst sein, § 4 Nr. 5 UWG.

Weiterhin ist das Verbot unzumutbarer Belästigungen beachtlich. Durch unerbetene Anrufe, Faxe oder Spam-Mails werden sowohl die jeweiligen Empfänger in ihrer Privatsphäre betroffen als auch die Interessen der Allgemeinheit aufgrund der in Anspruch genommenen Ressourcen. Daher sind die vorgenannten, als „cold calling“ bekannten Verhaltensweisen nach deutschem Recht grundsätzlich unzulässig, vgl. § 7 UWG.

Sonderaktionen und Bagatellfälle

Im Rahmen der Novellierung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb im Jahre 2004 wurden einige Neuerungen eingeführt, die sich auch auf die Praxis des Wettbewerbsrechts auswirken. Für die Bevölkerung unmittelbar spürbar ist die Aufhebung der Einschränkungen im Hinblick auf Sonder- und Räumungsverkäufe. Waren vor der Neufassung des Gesetzes Sonderverkäufe lediglich im einem en-gen zeitlichen Rahmen als Sommer- oder Winterschlussverkäufe zulässig, jagt mittlerweile eine Rabatt-Aktion die nächste. Dennoch müssen sich Sonderverkäufe auch weiterhin an den übrigen Vorschriften des Wettbewerbsrechts messen lassen. So müssen aufgrund des Verbotes von irreführender Werbung die bei der Ankündigung von Sonderverkäufen gemachten Angaben nach wie vor grundsätzlich wahr sein. Bei einem angekündigten Räumungsverkauf muss die Geschäftsaufgabe somit wirklich bevorstehen. Bei der Werbung für einen Sonderverkauf mit den Worten „alles 20 Prozent reduziert“ muss tatsächlich jeder einzelne Artikel entsprechend reduziert sein.

Weniger spürbar, aber dennoch relevant für die Unternehmen ist der Ausschluss der Verfolgbarkeit von Bagatellfällen. Das sind Fälle, bei denen mangels Spürbarkeit der Auswirkungen oder Geringfügigkeit des Unlauterkeitsgehaltes die Beeinträchtigung nicht ins Gewicht fällt – etwa der einmalige und versehentliche Einwurf eines unangeforderten Werbeschreibens durch einen Postbediensteten in einen Briefkasten mit „keine Werbung“-Aufkleber.

Verbände als Garanten fairen Wettbewerbs

Das Wettbewerbsrecht gewährt den Anspruch auf Beseitigung des durch das unfaire Verhalten geschaffenen rechtswidrigen Zustandes. Außerdem besteht ein Anspruch auf Unterlassung bei Wiederholungsgefahr. Hinzu kommt ein Anspruch auf Schadensersatz – soweit ein Schaden entstanden ist – und schließlich der neu eingeführte Gewinnabschöpfungsanspruch.

Nachdem Verbände nach der früheren Rechtslage nur Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche geltend machen konnten, hat der Gesetzgeber sich dazu entschlossen, den Verbänden und Verbraucherschutzorganisationen einen weiteren Anspruch an die Hand zu geben - den so genannten „Gewinnabschöpfungsanspruch“. Unlauter handelnde Wettbewerber, die zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern einen Gewinn erzielt haben, können dazu verpflichtet werden, den so erzielten Gewinn wieder herauszugeben. Dieser fließt allerdings nicht in den Etat des klagenden Verbandes, sondern an die Staatskasse.

Bislang war nicht selten davon auszugehen, dass sich die Begehung vieler kleiner unlauterer Handlungen auszahlen würde, da Verbände nicht auf Schadensersatz klagen konnten und Verbraucher bei geringem Schaden eine Klage scheuten. Dagegen wurde den Verbänden mit dem neuen Anspruch ein effektives Mittel verliehen. Damit geht natürlich auch eine gewisse Verantwortung zur Überwachung des Wettbewerbs einher, denn Verbände, anerkannte Verbraucherschutzorganisationen und Industrie- und Handelskammer sind die einzigen, die diesen Anspruch geltend machen können.

Diese Verantwortung wird durch eine zweite Modifikation des Gesetzes noch ausgeweitet: Durch die Neufassung des Gesetzes ist es für nicht unmittelbar von einen Wettbewerbsverstoß betroffene Unternehmen nicht mehr möglich, dem Wettbewerbsstörer Einhalt zu gebieten. Ein wettbewerbsrechtlicher Anspruch kann in einem solchen Fall aber von Verbänden geltend gemacht werden.

Der Wettbewerbsprozess

Das Vorgehen gegen Wettbewerbsverstöße erfolgt nach einem bestimmten Schema: Zunächst wird der Wettbewerbsstörer in Bezug auf den konkreten Verstoß abgemahnt und erhält gleichzeitig die Gelegenheit, binnen einer kurzen Frist zu erklären, dass er das monierte Verhalten unterlassen und im Fall der Zuwiderhandlung eine Strafe zahlen werde.

Sollte in dieser Hinsicht keine Einigkeit erzielt werden, bestehen zwei Möglichkeiten: In der Regel wird, um das beanstandete Verhalten mög-lichst umgehend zu un-terbinden, der Weg des einstweiligen Rechtsschutzes beschritten. Hier wird in einem verkürzten Verfahren durch die Gerichte eine umgehende En-tscheidung bzw. Verfügung ge-troffen, die der Störer auch unmittelbar zu befolgen hat. Im Eilfall kann der Wettbewerbsverstoß mit gerichtlicher Hilfe von einem Tag auf den anderen abgestellt werden.

Im Anschluss daran oder alternativ dazu wird der Wettbewerbsverstoß in einem ordentlichen Verfahren rechtlich umfassend beurteilt. Weiterhin sieht das Prozessrecht auch Rechtsmittel vor (Berufung, Revision).

Die Kosten in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten hat, soweit der Nachweis der Unlauterkeit des Verhaltens gelingt, der Störer zu tragen. Dies gilt bereits im Hinblick auf die für eine berechtigte Abmahnung erforderlichen Aufwendungen, ebenso im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und im Prozess.

Die Rolle der Verbände

Neben den bereits oben erwähnten Konstellationen gibt es eine Vielzahl von Interessenlagen, in denen sich die Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche durch einen Verband anbietet. Klagt etwa der Verband gegen den Wettbewerbsstörer, muss sich das beeinträchtigte oder die Klage initiierende Unternehmen nicht preisgeben. Bestehende Geschäftsbeziehungen zum Wettbewerbsstörer werden so nicht belastet.

Ähnlich ist es, wenn eine Gruppe oder sogar alle Verbandsmitglieder vom Wettbewerbsverstoß betroffen sind, die Erfolgsaussichten einer Klage aber nicht eindeutig einzuschätzen sind oder die Kosten von den einzelnen Mitgliedern alleine nicht aufgebracht werden können. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, das finanzielle Risiko einer Vielzahl von Prozessen durch das Führen eines einzelnen Musterverfahrens zu verringern, bei dem der Verband bei entsprechenden Kostenzusagen der Mitglieder an deren Stelle agiert.

Verbände spielen eine maßgebliche Rolle im Wettbewerbsrecht. Zum Schutz ihrer Mitglieder informieren sie durch ihre Rechtsanwälte über die geltende Rechtslage, und vielfach obliegt ihnen, gegen wettbewerbsrechtliche Verstöße Dritter aktiv vorzugehen. Diese Rolle hat der Gesetzgeber erkannt und durch die Neufassung des Gesetzes weiter aufgewertet. Es liegt in den Händen der Verbände, dieser Verantwortung gerecht zu werden.

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