Verbändereport AUSGABE 4 / 2009

Der Verband als Wirtschaftsunternehmen in der Gesetzgebungsmühle

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Eigentlich schien Ruhe an der Gesetzgebungsfront zu sein. Nachdem der Referentenentwurf zur Vereinsrechtsnovelle aus dem Bundesjustizministerium vom 28. August 2004, der auch für die tatsächliche Praxis zu einer weitreichenden Einschränkung der zulässigen wirtschaftlichen Aktivitäten führen sollte, in den Schubladen der Ministerialbürokratie verschwunden war, glaubte man nicht mehr daran, dass eine neue Gesetzgebungsinitiative noch einmal Lunte an diesen vereinspolitischen Sprengstoff legen wollte.

Jetzt gibt es Neues aus Berlin zu berichten: Die Bundesregierung hat in ihrem Entwurf über ein „Gesetz zur Erleichterung elektronischer Anmeldungen zum Vereinsregister und anderer vereinsrechtlicher Änderungen“ vom 10. Februar 2009 (Az. BMJ — 0 — 15 — 234) eine Neufassung der §§ 43 und 44 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) angeregt, die allerdings mit Blick auf die aktive wirtschaftliche Tätigkeit von rechtsfähigen (eingetragenen) Vereinen keine Veränderungen bringen sollte.

Der bisherige § 43 Absatz 2 soll danach wörtlich unverändert zum neuen Absatz 1 werden:

(1) Einem Verein, dessen Zweck nach der Satzung nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, kann die Rechtsfähigkeit entzogen werden, wenn er einen solchen Zweck verfolgt.

In der Sache wollte die Bundesregierung den bisherigen Gesetzeszustand in § 43 BGB nur dahin gehend modifizieren, dass die bisher in § 43 Absatz 1 BGB enthaltene Möglichkeit, auch gemeinwohlgefährdenden Vereinen durch Rechtsakt der Verwaltungsbehörde die Rechtsfähigkeit zu entziehen, künftig entfallen soll. In der Gesetzesbegründung heißt es — wohl zutreffend —, dass die Entziehung der Rechtsfähigkeit wohl kaum geeignet sei, gemeinwohlstörende Vereine von ihrem Treiben abzuhalten. Hier müsse mit Mitteln des öffentlichen Vereinsrechtes und damit mit Verboten agiert werden.

Der Bundesrat, dem diese Gesetzesinitiative jetzt zu Anfang des Gesetzgebungsverfahrens zugeleitet wurde, schlägt demgegenüber vor, § 43 Absatz 1 BGB zu modifizieren:

(1) Die Eintragung eines Vereins, dessen Zweck nach der Satzung nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, ist zu löschen, wenn er einen solchen Zweck tatsächlich verfolgt.

Begründet wird der im Unterschied zur Initiative der Bundesregierung unterschiedliche Ansatz — Entzug der Rechtsfähigkeit hier; Löschung aus dem Vereinsregister da — damit, dass die einzig sinnvolle Sanktion bei gewerblicher Tätigkeit eines eingetragenen Vereins nur sein kann, „die Eintragung zu löschen, ihm den Status als eingetragener Verein zu nehmen und damit insbesondere seine Mitglieder unbeschränkter Haftung auszusetzen, nicht dagegen ihm seine Rechtsfähigkeit zu entziehen“.

Weiter heißt es in der Gesetzesbegründung des Bundesrates:

„Selbstverständlich darf sich ein Verein wirtschaftlich betätigen; nur kann er dann nicht verlangen, weiter als eingetragener Verein aufzutreten und im Vereinsregister eingetragen zu sein.“ (Bundesrat Drucksache 179/09 vom 03. April 2009).

Die gesamte Problematik einer doch in der Praxis zweifellos gegebenen, oft mehr als aktiv betriebenen wirtschaftlichen Betätigung der Vereine kam vor einigen Tagen im Zuge der sog. Kolping-Rechtsprechung des OLG Dresden vom 9. August 2005 (Az. 2 U 897/04) zu einiger Berühmtheit in Vereinskreisen, ließ sich doch das OLG Dresden zu der Aussage verleiten, dass eine zu große und damit unerlaubte wirtschaftliche Aktivität in Vereinen in Ausnahmesituationen zu einer persönlichen Haftung der Vereinsmitglieder (!) führen kann. Dieses Urteil wurde dann in der Revisionsinstanz beim Bundesgerichtshof aufgehoben, der festgestellt hat, dass es für eine persönliche Haftung von Vereinsmitgliedern für Verbindlichkeiten von Vereinen, die sich unerlaubt wirtschaftlich betätigt haben, weder eine gesetzliche Grundlage noch ein faktisches Bedürfnis gebe:

„Keinesfalls rechtfertigt das (…) Nichteinschreiten gegen die umfangreiche wirtschaftliche Betätigung des KBS e.V. und die darin liegende Überschreitung des Nebenzweckprivilegs — mag sie auch erheblich gewesen sein — den vom Berufungsgericht postulierten Haftungsdurchgriff der Gläubiger auf diese (faktischen)Vereinsmitglieder wegen Rechtsformmissbrauchs. (…)

Gerade der Umstand, dass der Gesetzgeber in § 43 Abs. 2 BGB ein besonderes Verfahren zur Entziehung der Rechtsfähigkeit eines Idealvereins geschaffen hat, führt andererseits dazu, dass die Vereinsmitglieder — solange ein solches Verfahren nicht angestrengt wird — auf die mit der Rechtsfähigkeit des e.V. verbundene Haftungsbeschränkung vertrauen dürfen. Dies gilt um so mehr, als die rechtliche Einordnung, ob eine bestimmte wirtschaftliche Betätigung sich noch im Rahmen des Nebenzweckprivilegs hält oder dieses bereits überschreitet, im Einzelfall schwierig und dem einzelnen Mitglied — selbst wenn man ihm wie hier seitens des Berufungsgerichts aufgrund der spezifischen Mitgliederstruktur eine besonders prägende Stellung zumisst — kaum zuverlässig möglich ist (vgl. auch K. Schmidt, ZIP 2007, 605, 607, 609). Das Vereinsmitglied darf sich dann aber grundsätzlich darauf verlassen, dass die Klärung einer eventuellen Überschreitung des Nebenzweckprivilegs — sei es von Amts wegen oder auf Anregung eines Gläubigers — in dem dafür vorgesehenen Verfahren nach §§ 43 Abs. 2, 44 BGB stattfindet und es sich nicht nachträglich und rückwirkend einer persönlichen Haftung für Zeiträume ausgesetzt sieht, auf die es keinen Einfluss mehr nehmen kann.“ (BGH Urteil 10. Dezember 2007 — Az. II ZR 239/05)

Offenbar glaubt man aufseiten des Bundesrates, dass die Löschung des Vereins aus dem Vereinsregister für die Mitglieder eines Vereins viel deutlicher ein Alarmsignal setzt als der (vereinsinterne und ohne Außenwirkung geschehende) Entzug der Rechtsfähigkeit durch einen Verwaltungsakt einer Behörde.

Wirtschaftliche Aktivitäten: Was ist (noch) erlaubt oder was ist (schon) verboten?

Letztlich ist es ein juristischer Glaubenskrieg, ob man den Entzug der Rechtsfähigkeit oder die Löschung aus dem Vereinsregister als die geeignete Maßnahme ansieht, wirkungsvoll gegen unerlaubte wirtschaftliche Aktivitäten von Vereinen vorzugehen.

Die beiden Gesetzesinitiativen drücken sich aber um die Beantwortung der Frage, wie ein Verein eigentlich entscheiden soll, was an wirtschaftlichen Aktivitäten (noch) erlaubt oder (schon) verboten ist. Will man in Vereinen organisierte Bürger zu einem rechtmäßigen Verhalten anhalten, so muss man als Gesetzgeber auch Hilfestellung dabei geben, welches Verhalten denn eigentlich gesetzgeberisch, d. h. auch gesellschaftspolitisch, gewünscht ist. Und gerade an dieser Stelle verschließt der Gesetzgeber die Augen vor der Wirklichkeit.

Schaut man in § 21 BGB, so ist rechtsfähigen (eingetragenen) Vereinen mit Ausnahme von Kleinaktivitäten jede wirtschaftliche Tätigkeit verboten. Die Wirklichkeit sieht allerdings anders aus. Aus historischen Gründen sind weite Teile des deutschen Wohlfahrtswesens (Krankenhäuser, Altenheime, Behinderteneinrichtungen, Rettungsdienste usw.) in Vereinen organisiert. Diese betreiben zweifellos über ihre Einrichtungen planmäßige Marktteilnahme und damit an sich unzulässige wirtschaftliche Aktivitäten. Glaubt man den öffentlichen Bekundungen von Politikern, so ist eine solche (oftmals steuerlich gemeinnützige) Tätigkeit im Rahmen von Ehrenamt und sonstigem bürgerschaftlichen Engagement gewollt.

Aus rein juristischer Sicht gibt es sicherlich, angefangen beim Gläubigerschutz über die speziellen Gesellschaftsrechtsformen, genügend gute Argumente, die eine restriktive Handhabung wirtschaftlicher Aktivitäten weitgehend unregulierter Vereine angezeigt erscheinen lassen. Nur sei die Frage gestattet, ob man seitens der Politik wirklich will, dass Vereine mit nennenswerter wirtschaftlicher Aktivität aus dem Register gelöscht oder die Rechtsfähigkeit entzogen bekommen.

Vielleicht ist es an der Zeit, den bestehenden und eigentlich auch stillschweigend geduldeten Zustand anzunehmen und im Gegenzug das Vereinsrecht an sich etwas formaler zu regeln. Angefangen bei den (in Wirklichkeit nicht existenten) Rechnungslegungsvorschriften der Vereine bis hin zur Begründung von Publizitätspflichten gibt es auch Mittel, Vereine, die wirtschaftlich aktiv sind, gesetzgeberisch enger an die „Kandare“ zu nehmen und damit einen Teil der juristischen Bedenken auszuräumen. Die fehlende Pflicht zur Kapitalaufbringung bei Vereinen kann es jedenfalls nicht sein, die wirtschaftliche Aktivitäten unzulässig macht; ansonsten wäre nämlich die stammkapitallose Unternehmergesellschaft gemäß Neufassung von § 5 a GmbH-Gesetzes nicht zu erklären.

Fazit

Die reine Befassung mit Sanktionen für unerlaubte wirtschaftliche Tätigkeiten hilft jedenfalls nicht weiter, vielmehr lässt der Gesetzgeber damit die Verantwortlichen in den Vereinen „im Regen stehen“. Dies kann eigentlich nicht sein Ziel sein.

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Autor/in

Ralf Wickert

ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuer- und Arbeitsrecht. Er ist Gesellschafter der Dornbach GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft mit den Tätigkeitsschwerpunkten gesellschaftsrechtliche, arbeits- und steuerrechtliche Beratung von Unternehmen und Verbänden. Autor mehrerer Fachbücher, u. a. des Praxishandbuches Verbandsrecht und des Praxishandbuches Datenschutz in Verbänden.

http://www.dornbach.de

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