Das deutsche Vereinsrecht ist durch eine Eigentümlichkeit gekennzeichnet, die von seinen Kritikern als Systemwidrigkeit empfunden wird: Bei erheblicher wirtschaftlicher Betätigung des Vereins kann dieser zwar keine Rechtsfähigkeit erlangen, weil das Register führende Amtsgericht ihn nicht in das Vereinsregister eintragen wird. Hat allerdings der Verein – etwa weil er über eine ideelle Satzung verfügt – die Eintragung erlangt, wird ihm selbst bei erheblicher wirtschaftlicher Betätigung die Rechtsfähigkeit nur in seltenen Ausnahmefällen wieder entzogen.
Denn für den Entzug der Rechtsfähigkeit ist nicht das Vereinsregister, sondern sind die Bezirksregierungen der Bundesländer zuständig. Diese machen aber von ihrer Befugnis nur in ganz seltenen Ausnahmefällen Gebrauch, obwohl es sich nicht um Ermessensentscheidungen handelt.
Der Gesellschaftsrechtler Karsten Schmidt hat dies vor einiger Zeit in einer Besprechung des so genannten Scientology-Urteils des Bundesverwaltungsgerichts1 wie folgt formuliert: „In der Praxis bedeutet dies: Wer sich einmal in das Vereinsregister hineingelogen hat, genießt bei den Registergerichten einen unverdienten Rechtsform-Besitzstand, den nur die Verwaltungsbehörden nach § 43 Absatz 2 BGB beseitigen können.“2
Die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden für den Entzug der Rechtsfähigkeit hat zudem zur Folge, dass Rechtsstreitigkeiten hierüber nicht an die Zivilgerichte gelangen, sondern vor den Verwaltungsgerichten ausgefochten werden. Im Gegensatz zum Bundesgerichtshof und den Oberlandesgerichten vertritt das Bundesverwaltungsgericht aber eine ausgesprochen „liberale“ Haltung in Sachen wirtschaftlicher Betätigung durch Idealvereine.
In der bereits erwähnten Scientology-Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht nämlich Leistungen, die ein Verein in Verwirklichung seines nicht wirtschaftlichen Zwecks seinen Mitgliedern entgeltlich erbringt, nur dann als wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb im Sinne von § 21 BGB angesehen, wenn diese Leistungen üblicherweise auch von anderen angeboten werden.
Handelt es sich hingegen – wie im Scientology-Fall – um Kursangebote, die in dieser Art nicht auf dem freien Markt erhältlich sind, so stellen sie nach Ansicht des Gerichts von vornherein keine wirtschaftliche Betätigung dar. Das Bundesverwaltungsgericht kam also gar nicht erst – wie die Zivilgerichte – zur Prüfung der Frage, ob das so genannte Nebenzweckprivileg des § 21 BGB, das von der Rechtsprechung entwickelt worden ist, verletzt sein könnte.
Für Verbände bedeutet dies, dass sie nicht mit dem Entzug der Rechtsfähigkeit rechnen müssen, wenn sie auf dem internen Mitgliedermarkt gegen Entgelt verbandsspezifische Leistungen anbieten, die in dieser Art nicht von Wettbewerbern angeboten werden (können).
Die gegenwärtige Rechtslage stößt allerdings auf heftige Kritik in der Rechtswissenschaft, die für eine Konzentration der Verleihung und des Entzugs der Rechtsfähigkeit – also des actus und des actus contrarius – bei den Registergerichten plädiert.3 Mit einer solchen Rechtsänderung wäre auch ein einheitlicher Rechtsweg und damit eine vereinheitlichte Rechtsprechung in Sachen wirtschaftlicher Betätigung durch Vereine verbunden.
Es bleibt abzuwarten, ob in der einsetzenden Reformdiskussion um ein neues Vereinsrecht die Vorschläge von Karsten Schmidt und anderen aufgegriffen werden. Der Referenten-Entwurf des Bundesjustizministeriums zur Reform des Vereinsrechts aus dem Jahre 2004 hatte diese Vorschläge allerdings noch ignoriert. (HM)
1 Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 6.11.1997; I C 18/95; NJW 1998; Seite 1166ff.
2 Karsten Schmidt, Entziehung der Rechtsfähigkeit bei unrechtmäßig eingetragenen Wirtschaftsvereinen, NJW 1998, Seite 1124ff.
3 Vgl. Karsten Schmidt a.a.O.