Verbändereport AUSGABE 2 / 2009

Haftungsentlastung für Vereinsvorstände

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Die Übernahme von Leitungsfunktionen in Vereinen ist mit erheblichen Haftungsrisiken ¬verbunden, die für ehrenamtlich und unentgeltlich tätige Vorstandsmitglieder in bestimmten Bereichen nicht mehr zumutbar erscheinen und zu unbilligen Ergebnissen führen können. So werden nach der Rechtsprechung den Vorstandsmitgliedern unabhängig von der Ehrenamtlichkeit ihrer Tätigkeit umfangreiche Überwachungspflichten in Bezug auf andere Vorstandsmitglieder insbesondere auf dem Gebiet der Abführung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung und der Erfüllung steuerlicher Pflichten auferlegt. In diesem ¬Zusammenhang können Konstellationen auftreten, bei denen ehrenamtliche Vereinsvorstände für das Handeln anderer Vorstandsmitglieder zur Haftung herangezogen werden, obwohl sie für den betreffenden Bereich nach der vorstandsinternen Ressortverteilung keine Verantwortung tragen.

Der Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsvorständen gemeinnütziger oder mildtätiger Vereine (BT-Drucksache 16/10120) wurde am 12. Februar 2009 im Bundestag in erster Lesung behandelt.

Ziel des Gesetzentwurfs und Lösungsvorschlag

Der Gesetzentwurf hat nach der Begründung des Bundesrats zum Ziel, die Haftungsrisiken für ehrenamtlich tätige Vereinsvorstände auf ein für diese zumutbares Maß zu begrenzen. Hierdurch sollen die ehrenamtliche Übernahme von Leitungsfunktionen in Vereinen gefördert und damit das bürgerschaftliche Engagement weiter gestärkt werden. Als Lösung sieht der Gesetzentwurf vor, das externe Haftungsrisiko des ehrenamtlich tätigen Vorstandsmitglieds eines gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienenden Vereins zu begrenzen. In diesem Zusammenhang ist vorgesehen, im Rahmen der Verpflichtung ehrenamtlicher Vorstandsmitglieder von Vereinen zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und zur Erfüllung steuerlicher Pflichten an die Aufgabenverteilung innerhalb des Vereinsvorstandes anzuknüpfen. Danach scheidet künftig eine entsprechende Verpflichtung eines ehrenamtlich tätigen Vorstandsmitglieds eines gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienenden Vereins aus, wenn dieses nach der schriftlichen Ressortverteilung für den jeweiligen Bereich nicht verantwortlich ist. Die bisher in diesem Zusammenhang bestehenden umfassenden Überwachungspflichten sollen damit künftig entfallen.

Flankierend zur Beschränkung der externen Haftung ehrenamtlicher Vorstandsmitglieder eines Vereins sollen auch die internen Haftungsrisiken begrenzt werden. Ein ehrenamtlich tätiges Vorstandsmitglied haftet danach dem Verein für Schäden, die in Wahrnehmung von Vorstandspflichten verursacht wurden, nur, wenn Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorliegt. Zusätzlich wird dem ehrenamtlich tätigen Vorstandsmitglied gegenüber dem Verein ein Freistellungsanspruch für die Fälle eingeräumt, in denen das Vorstandsmitglied einem Dritten wegen eines lediglich einfach fahrlässigen Verhaltens zum Schadenersatz verpflichtet ist.

Die vorgeschlagenen neuen Gesetzesregelungen

Der Bundesrat schlägt daher im Wesentlichen folgende Gesetzesänderungen vor:

1. Änderung des BGB: Einfügung eines neuen § 31a in das BGB mit folgendem Wortlaut:

„§ 31a Haftung ehrenamtlich und unentgeltlich tätiger Vorstandsmitglieder

(1) Ist der Vorstand ehrenamtlich und unentgeltlich tätig, so haftet er dem Verein für einen in Wahrnehmung seiner Vorstandspflichten verursachten Schaden nur bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Satz 1 gilt auch für die Haftung gegenüber den Mitgliedern des Vereins.


(2) Ist der ehrenamtlich und unentgeltlich tätige Vorstand einem anderen zum Ersatz eines in Wahrnehmung

seiner Vorstandspflichten verursachten Schadens verpflichtet, so kann er von dem Verein die Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde.“

2. Änderung des Sozialversicherungsrechts: Ergänzung des § 28e Abs. 1 SGB IV um folgenden Satz:

„Die Pflicht zur Abführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages obliegt bei natürlichen und juristischen Personen deren gesetzlichen Vertretern, bei nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen deren Geschäftsführern. Für ein ehrenamtlich und unentgeltlich tätiges Mitglied des Vorstandes eines nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes steuerbefreiten Vereins gilt dies nicht, wenn das Mitglied nach vorweg schriftlich festgelegter Aufgabenverteilung für die Einhaltung der Zahlungspflicht nicht verantwortlich ist.“

3. Änderungen im Steuerrecht durch Änderung der Abgabenordnung:

Zwei Änderungen des bestehenden Rechts werden vorgeschlagen:

a) Dem § 34 Abs. 1 AO soll folgender Satz angefügt werden:

„Für ein ehrenamtlich und unentgeltlich tätiges Mitglied des Vorstandes eines nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes steuerbefreiten Vereins gilt dies nicht, wenn das Mitglied nach vorweg schriftlich festgelegter Aufgabenverteilung für die Erfüllung steuerlicher Pflichten nicht verantwortlich ist.“

b) § 69 AO soll wie folgt ergänzt werden.


„(2) Vorstandsmitglieder eines nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes steuerbefreiten Vereins, die

gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3 keine Steuerpflichten zu erfüllen haben, haften, soweit sie Kenntnis von der Pflichtverletzung im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 haben.“

Erste Reaktion der Bundes­regierung: Gesetzentwurf ist zu weitgehend

Die Bundesregierung hat in einer ersten Reaktion das vom Bundesrat mit dem Gesetzentwurf verfolgte Anliegen, das Haftungsrisiko von unentgeltlich tätigen Vorstandsmitgliedern von Vereinen zu begrenzen und damit bürgerschaftliches Engagement weiter zu fördern, grundsätzlich begrüßt. Die ehrenamtliche Übernahme von Vorstandsämtern in Vereinen solle nicht daran scheitern, dass Vereinsmitglieder Haftungsrisiken befürchten müssen.

Die Bundesregierung hält allerdings die vorgeschlagenen gesetzlichen Haftungsbeschränkungen nicht für den geeigneten Weg, weil diese insbesondere zulasten der Vereine und der Vereinsmitglieder gehen würden. Erhebliche Haftungsrisiken bestehen zudem nicht nur für unentgeltlich tätige Vorstandsmitglieder von Vereinen, sondern in vergleichbarer Weise auch bei der unentgeltlichen Ausübung anderer privater Ämter. Unentgeltlich tätige Vorstände von Stiftungen haben im Wesentlichen die gleichen zivil-, steuer- und sozialrechtlichen Pflichten wie die Vorstände von Vereinen. Sie sollen nach dem Entwurf gegenüber der Stiftung sowie der Finanz- und Arbeitsverwaltung aber weiterhin unbegrenzt haften. Auch die Ämter des Vormunds, des Betreuers oder des Pflegers werden überwiegend unentgeltlich wahrgenommen, und es sind in erheblichem Umfang fremde Geschäfte zu führen. Die Inhaber dieser Ämter haften für Pflichtverletzungen den Personen, deren Geschäfte sie besorgen, unbeschränkt.

Die Bundesregierung hält es insbesondere nicht für gerechtfertigt, besondere zivilrechtliche Haftungsbegrenzungen für Vereinsvorstände einzuführen. Die vorgeschlagene Begrenzung der zivilrechtlichen Haftung der Vorstandsmitglieder würde Vereine und Vereinsmitglieder erheblich belasten und ist damit nicht im Sinne der Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements.

Zur Entlastung der Vorstandsmitglieder müssten die Vereine und Vereinsmitglieder ein höheres Schadensrisiko tragen. Vereine und Vereinsmitglieder können das erweiterte Schadensrisiko aber nicht in gleicher Weise beeinflussen wie die Vorstandsmitglieder ihr Haftungsrisiko, da sie die Vorstandstätigkeit nicht ebenso steuern können wie die Vorstandsmitglieder. Verursacht ein Vorstandsmitglied erhebliche Schäden, können die Haftungsbegrenzung und der Anspruch auf Freistellung von Ansprüchen aufgrund einfach fahrlässiger Schädigung Dritter zur Zahlungsunfähigkeit auch gesunder Vereine führen oder erhebliche finanzielle Folgen für ein Vereinsmitglied haben, das schuldloses Opfer einer Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds wurde. Dies ist für die Bundesregierung als Folge der Haftungsbegrenzung für die unentgeltlich tätigen Vorstandsmitglieder nicht wünschenswert.

Alternative: Versicherungs­lösung?

Die Bundesregierung spricht sich deshalb gegen eine bloße Verlagerung der Haftungsrisiken vom Vorstandsmitglied auf die Vereine und die Vereinsmitglieder aus. Sie schlägt vor, das Haftungsrisiko der Vorstandsmitglieder durch eine angemessene Versicherung auf Kosten des Vereins abzudecken. Vereine sollten verpflichtet werden, die Kosten für eine angemessene Versicherung eines unentgeltlich tätigen Vorstandsmitglieds gegen Schäden zu tragen, die aus der Vorstandstätigkeit entstehen können. Diese Regelung sollte nicht nur für die unentgeltlich tätigen Vorstandsmitglieder eines Vereins, sondern auch für die einer Stiftung gelten. Sie könnte sich im Wesentlichen an § 1835 Abs. 2 Satz 1 BGB orientieren. Die Bundesregierung stellte einen entsprechenden Regelungsvorschlag in Aussicht.

Bundesregierung lehnt sozial­versicherungsrechtliche ­Haftungsbeschränkung ab

Die Bundesregierung lehnt insbesondere die vorgeschlagene sozialrechtliche Haftungsbegrenzung ab. Die soziale Sicherheit der Beschäftigten, die in Vereinen tätig sind, würde dadurch beeinträchtigt. Die Begrenzung der Pflichten ehrenamtlich tätiger Vereinsvorstände in Bezug auf die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen führe zu einer nicht gerechtfertigten Belastung der Solidargemeinschaft insgesamt.

Die bisherige Regelung treffe eine wohlabgewogene Zuweisung von Haftungsrisiken, die bereits ausreichend nach der internen Zuweisung von Verantwortungsbereichen differenziert. Die Argumentation, für ehrenamtlich tätige Vereinsvorstände sei eine Lockerung sinnvoll, wird von der Bundesregierung nicht geteilt. Angesichts der in der Rechtsprechung verankerten Haftungsabstufung fehle es bereits an einem Bedürfnis für eine weitere Absenkung des Haftungsrisikos. Zum einen könne der soziale Schutz der Beschäftigten eines Vereins nicht dem Zufall der Organisation der Vereinsführung überlassen sein. Zum anderen ist es wesentliche Aufgabe eines Vereinsvorstands, die sozialversicherungsrechtlichen Arbeitgeberpflichten zu erfüllen. Nimmt ein Verein eine Arbeitgeberfunktion wahr, so sei durch die interne Organisation sicherzustellen, dass die sozialversicherungsrechtlichen Pflichten erfüllt werden. Dies müsse Aufgabe jedes Vorstandsmitglieds sein. Das Anliegen, für ein nach der internen Organisationsverteilung hierfür nicht zuständiges ehrenamtliches Vorstandsmitglied die ohnehin auf Vorsatz beschränkte Haftung des § 266a StGB für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge noch weiter einzuschränken, könne von der Bundesregierung nicht unterstützt werden.

Eine vorweg vorgenommene schriftliche Aufgabenzuweisung setze den Schutz der Beschäftigten des Vereins herab, die sozialversicherungspflichtig sind, da damit die Überwachungs- und Kontrollpflichten der anderen Vorstandsmitglieder gegenüber dem nach der internen Aufgabenverteilung hierfür zuständigen Vorstandsmitglied wegfielen. Damit unterläge die Erfüllung der Pflichten aus § 28e Abs. 1 SGB IV durch das verantwortliche Vorstandsmitglied keiner Kontrolle und Überwachung innerhalb des Vorstandes mehr.

Da in vielen Vereinen ausschließlich ehrenamtliche Vorstandsmitglieder tätig sind, könnte dadurch die Haftung auch nicht für alle ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder begrenzt werden. Mindestens ein ehrenamtliches Vorstandsmitglied müsste weiterhin für die Erfüllung der Pflichten zuständig sein, das dann aber alleine das volle Haftungsrisiko tragen würde. Der Vorschlag würde also nur eine Haftungsprivilegierung einzelner ehrenamtlicher Vorstandsmitglieder zulasten anderer ehrenamtlicher Vorstandsmitglieder ermöglichen. Dadurch würde aus Sicht der Bundesregierung vor allem die Bereitschaft abnehmen, bestimmte Vorstandsämter ehrenamtlich auszuüben.

Bundesregierung gegen Änderung des Steuerrechts

Auch die vorgeschlagene steuerrechtliche Haftungsbegrenzung der ehrenamtlich und unentgeltlich tätigen Mitglieder des Vorstandes eines nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes steuerbefreiten Vereins entsprechend ihrer vorweg schriftlich festgelegten Aufgabenverteilung wird von der Bundesregierung nicht befürwortet.

§ 34 der Abgabenordnung (AO) begründe eigene steuerrechtliche Pflichten von Personen, die für steuerrechtsfähige, aber als solche nicht handlungsfähige Steuerrechtssubjekte handeln. Der Vertreter ist daher verpflichtet, so zu handeln, wie das handlungsunfähige Steuerrechtssubjekt handeln müsste, wenn es handlungsfähig wäre.

Die Pflichten der handelnden Personen sind öffentlich-rechtlicher Natur. Sie seien nach der Rechtsprechung durch privatrechtliche Vereinbarungen nicht abzubedingen. Interne Geschäftsverteilungen zwischen mehreren Verpflichteten wirken deshalb nur auf den Umfang der gegenseitigen Kontrollpflichten im Innenverhältnis, haben aber zunächst keine Auswirkungen auf das Außenverhältnis. Sie sind erst und nur im Rahmen der Prüfung des Verschuldens im Sinne des § 69 ff. AO und beim Auswahlermessen zwischen mehreren Haftungsschuldnern zu berücksichtigen. Dieser Maßstab sei allein interessengerecht, da der Grundsatz der Gesamtverantwortung besteht und nicht nur die Interessen der einzelnen ehrenamtlich tätigen Vereinsvorstandsmitglieder zu berücksichtigen sind, sondern auch diejenigen der Gläubiger. Daher sollte nach Meinung der Bundesregierung keinesfalls eine Regelung, die diesen Grundsätzen zuwiderliefe, ins Gesetz aufgenommen werden.

Zudem sei zu bedenken, dass es geradezu ins Belieben der Vereine gestellt wäre, welche internen schriftlichen Vereinbarungen geschlossen würden, die für eine Vielzahl der ehrenamtlich tätigen Vorstandsmitglieder eine Haftungsbefreiung vorsehen würden. So wäre es denkbar, dass insolvente bzw. mittellose Personen oder sog. Strohmänner als Vorstandsmitglieder in Betracht gezogen und mit den Aufgaben der Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten beauftragt werden. Die übrigen ehrenamtlich tätigen Vorstandsmitglieder könnten sich im Falle einer bestehenden schriftlichen Vereinbarung mit einer Aufteilung der Aufgabenbereiche freizeichnen. Eine solche einschränkende Regelung könne jedoch nicht Sinn und Zweck einer Haftungsnorm sein. Zudem bleibe zu bedenken, dass es künftig schwieriger werden würde, ehrenamtliche Vereinsvorstände für den Posten des für Steuern zuständigen Vorstandsmitgliedes zu gewinnen, wenn dieses Mitglied die entsprechenden Risiken allein zu tragen hat.

Im Übrigen würde der öffentlichen Hand — als Gläubiger — regelmäßig nur ein Haftungsschuldner für die Steuern des Vereins gegenüberstehen, da den nicht für Steuern zuständigen Vorstandsmitgliedern die Kenntnis von Pflichtverletzungen des verantwortlichen Vorstandsmitglieds kaum nachzuweisen sein dürfte. Damit würde das Risiko von Steuerausfällen im Vergleich zur geltenden Rechtslage zu einem großen Teil auf die öffentliche Hand und infolgedessen auf die Allgemeinheit abgewälzt werden.

Behandlung des Gesetz­entwurfs in Erster Lesung im ­Bundestag am 12.2.2009

In den Debatten-Beiträgen der Vertreter der Parteien wurde die Auffassung vertreten, die Bundesregierung unterstütze nunmehr den Gesetzentwurf in vollem Umfang. Da muss der Vertreter des BMJ, der parlamentarische Staatssekretär Hartenbach, wohl missverstanden worden sein. Er machte folgende, wesentliche Einschränkungen:

— Eine Erstreckung des Haftungsprivilegs auf die Verletzung steuerlicher oder sozialrechtlicher Verpflichtungen wird nicht gutgeheißen.

— Im Außenverhältnis gegenüber Dritten ist eine volle Haftung der ehrenamtlichen Vorstände nach wie vor unabdingbar. Der Verein kann hierfür durch Abschluss einer Risikoversicherung Vorsorge treffen.

— Das BMJ unterstützt den Gesetzentwurf mit den genannten Einschränkungen. Der Gesetzentwurf wurde zunächst an die zuständigen Ausschüsse zur weiteren Beratung überwiesen.

Vorläufiges Fazit

Ganz allgemein ist zunächst hervorzuheben, dass der Gesetzentwurf hinsichtlich seiner Adressaten in mehrfacher Weise eingeschränkt ist:

— Der Gesetzentwurf ist auf den Gemeinnützigkeits- und mildtätigen Bereich beschränkt. Er betrifft nur haftende (§ 26 BGB) Vorstände in Vereinen, die gemeinnützige oder mildtätige Zwecke verfolgen. Damit ist nicht einmal der gesamte Umfang der steuerbegünstigten Vereine im Sinne der §§ 51 ff. der Abgabenordnung abgedeckt, denn kirchliche Vereine fallen durch die Maschen. Ist dieser Mangel allein auf fehlende Sorgfalt der Entwurfsverfasser zurückzuführen?

— Der Gesetzentwurf bezieht insbesondere alle diejenigen Vorstände nicht ein, die ehrenamtlich in steuerbefreiten Berufsverbänden tätig sind. Für diesen Personenkreis besteht die Haftungsproblematik in gleicher Weise. Solche Berufsverbände erfüllen in ähnlicher Weise besondere, im öffentlichen Interesse liegende Aufgaben, was durch ihre gesetzliche Steuerbefreiung (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG) untermauert wird.

— Der Gesetzentwurf bezieht sich nur auf ehrenamtlich tätige Vorstände. Ehrenamtlichkeit bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass keine Vergütung gezahlt werden darf. Diese Einschränkung ist vielen Beteiligten wohl nicht klar. Insofern ist der Vorschlag des BMJ zu begrüßen, dass das mögliche künftige Gesetz nicht nur für ehrenamtliche Vorstände, sondern auch für geringfügig besoldete Vorstände gelten soll. Das BMJ schlägt hierfür eine Geringfügigkeitsgrenze von monatlich 500 Euro vor.

— Der Gesetzentwurf gilt nicht für ehrenamtliche Vorstände in gemeinnützigen Stiftungen. Die Rechtsposition dieser Vorstände entspricht derjenigen von Vorständen in Vereinen, weil das Stiftungsrecht des BGB auf das Vereinsrecht verweist. Insofern wäre es sachgerecht, die Stiftungen in den Regelungsbereich mit einzubeziehen.

Insgesamt ist damit zu rechnen, dass der Gesetzentwurf durch die Beratung in den Ausschüssen noch gewisse Modifizierungen erhalten wird. Ob er allerdings noch vor dem Ende der laufenden Legislaturperiode verabschiedet werden kann, ist vorläufig offen.

Die Begründung des Bundesrates im Einzelnen

Sehr lesenswert und möglicherweise richtungsweisend für die weitere Diskussion ist die ausführliche Darlegung der Gründe, die den Bundesrat zu seinem Gesetzesvorschlag bewogen haben:

„Bürgerschaftliches Engagement ist eine wesentliche Voraussetzung des solidarischen Zusammenlebens in unserer Gesellschaft. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Beiträge der ehrenamtlich Tätigen, die sich im sportlichen, kulturellen und sozialen Bereich in Vereinen organisieren und dort für die Gesellschaft vielfach wertvolle Dienste leisten, von ganz entscheidender Bedeutung. Der Gesetzentwurf hat zum Ziel, die ehrenamtliche Übernahme von Leitungsfunktionen in Vereinen zu fördern und damit das bürgerschaftliche Engagement weiter zu stärken.

Die Tätigkeit als Vorstandsmitglied eines Vereins ist in der Regel mit einem ganz erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden. Obwohl diese Tätigkeit im Fall der Ehrenamtlichkeit ohne Vergütung ausgeübt und allenfalls ein Ersatz von Aufwendungen geleistet wird, erwachsen hieraus beträchtliche Haftungsrisiken. So hat etwa der Bundesfinanzhof in einem Urteil vom 23. Juni 1998 (VII R 4/98, NJW 1998, 3374) entschieden, dass ein ehrenamtlich und unentgeltlich tätiger Vorsitzender eines Vereins, der sich als solcher wirtschaftlich betätigt und zur Erfüllung seiner Zwecke Arbeitnehmer beschäftigt, für die Erfüllung der steuerlichen Verbindlichkeiten des Vereins nach denselben Grundsätzen wie ein Geschäftsführer einer GmbH haftet.

Dies hat zur Folge, dass der Vereinsvorstand unabhängig von der Ehrenamtlichkeit seiner Tätigkeit der Gefahr ausgesetzt ist, unter bestimmten Umständen mit seinem Privatvermögen von Dritten oder dem Verein zur Haftung herangezogen zu werden. Dabei können Haftungskonstellationen auftreten, die für ehrenamtlich Engagierte nicht mehr zumutbar erscheinen und zu unbilligen Ergebnissen führen. Dies betrifft insbesondere die Fälle, in denen innerhalb des Vereinsvorstandes eine interne Ressortverteilung vorgenommen wurde. Hier verlassen sich Vereinsvorstände oftmals darauf, dass das jeweils zuständige Vorstandsmitglied seine Aufgaben, etwa die Wahrnehmung finanzieller und steuerlicher Angelegenheiten des Vereins, tatsächlich erfüllt.

Dies reicht jedoch nach der Rechtsprechung nicht aus. Das nach der Ressortverteilung nicht zuständige Organmitglied darf nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass das zuständige Organmitglied in seinem Aufgabenbereich ordnungsgemäß tätig wird. Vielmehr treffen sämtliche Vorstandsmitglieder weitreichende Überwachungspflichten, deren Verletzung zu einer persönlichen Haftung führen kann. Solche Überwachungspflichten sind im Bereich der berufsmäßigen Wahrnehmung einer entsprechenden Leitungsfunktion gerechtfertigt. Soweit die entsprechende Tätigkeit ehrenamtlich übernommen wurde und der Förderung gemeinnütziger oder mildtätiger Zwecke dient, sind diese weitreichenden Überwachungspflichten, deren Verletzung straf- und zivilrechtliche Konsequenzen haben kann, problematisch. Es erscheint nämlich nicht zumutbar, dass ein ehrenamtlich tätiger Vorstand eines Vereins mit seinem Privatvermögen für das ohne sein Wissen erfolgte fehlerhafte Handeln anderer Vorstandsmitglieder einzustehen hat und etwa für rückständige Steuerforderungen des Vereins oder für nicht abgeführte Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung in Anspruch genommen wird, obwohl die Wahrnehmung der finanziellen und steuerlichen Belange des Vereins einem anderen Vorstandsmitglied zugewiesen war.

Um dieser Problematik zu begegnen und um zu verhindern, dass die derzeit geltenden Haftungsregelungen für diejenigen, die unentgeltlich Verantwortung in einem Verein übernehmen, zunehmend zu einem Hindernis für ehrenamtliches bürgerschaftliches Engagement werden, ist es notwendig, die Haftungsrisiken für ehrenamtlich tätige Vereinsvorstände auf ein für diese zumutbares Maß zu begrenzen.

Der Gesetzentwurf sieht dementsprechend vor, das externe Haftungsrisiko des ehrenamtlich tätigen Vorstandsmitglieds eines gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienenden Vereins einzuschränken. In diesem Zusammenhang ist darauf zu achten, dass eine Haftungsbeschränkung nicht allgemein dazu führen darf, dass private Dritte, die durch das Verhalten des Vereinsvorstandes geschädigt werden, keinen Ersatz für ihre Schäden erhalten. Daher kommt eine generelle Begrenzung der Haftung von ehrenamtlichen Vereinsvorständen — etwa auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit — nicht in Betracht. Zwar haftet der Verein nach § 31 BGB einem Dritten gegenüber unmittelbar, wenn sein Vorstand bzw. ein Mitglied seines Vorstandes dem Dritten einen Schaden zufügt.

Die daneben bestehende persönliche Haftung des Vereinsvorstandes kann jedoch für einen geschädigten Dritten insbesondere in den Fällen von Bedeutung sein, in denen der Verein auf Grund seiner finanziellen Situation zum Schadenersatz nicht in der Lage ist. Unter Berücksichtigung der Erwägung, dass eine Haftungsbeschränkung nicht allgemein zu Lasten unbeteiligter privater Dritter gehen darf, wird vorgeschlagen, die Haftungsbegrenzung in der Weise vorzunehmen, dass diese im Bereich spezieller Pflichten ansetzt, wobei in erster Linie an die Verpflichtung zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung und zur Erfüllung steuerlicher Pflichten zu denken ist. Hier ist jeweils vorgesehen, hinsichtlich des Bestehens der jeweiligen Pflichten an die Aufgabenverteilung innerhalb des Vereinsvorstandes anzuknüpfen. Danach kommt eine entsprechende Verpflichtung eines ehrenamtlich tätigen Vorstandsmitglieds eines gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienenden Vereins nur noch dann in Betracht, wenn innerhalb des Vorstandes mangels einer schriftlichen Ressortverteilung eine Allzuständigkeit der Organmitglieder gegeben ist oder dem entsprechenden Vorstandsmitglied die Erfüllung der entsprechenden Pflicht nach der Ressortverteilung zugewiesen ist.

Die bisher bestehenden umfassenden Überwachungspflichten werden insoweit künftig entfallen. Flankierend zu diesen die externe Haftung betreffenden Regelungsvorschlägen sieht der Gesetzentwurf vor, das interne Haftungsrisiko eines ehrenamtlich tätigen Vereinsvorstands in der Weise zu begrenzen, dass er gegenüber dem Verein und den Mitgliedern des Vereins für einen in Wahrnehmung seiner Vorstandspflichten verursachten Schaden nur verantwortlich ist, wenn dieser auf vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln zurückzuführen ist. Zusätzlich soll dem ehrenamtlich tätigen Vereinsvorstand gegenüber dem Verein ein Freistellungsanspruch für die Fälle eingeräumt werden, in denen er einem Dritten wegen eines lediglich einfach fahrlässigen Verhaltens zum Schadenersatz verpflichtet ist.“

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Autor/in

Winfried Eggers

erlernte das „Steuerhandwerk” als Regierungsrat in der Verwaltung in NRW. Er war danach neun Jahre Finanzrichter beim Finanzgericht Köln. Bis Mitte 1998 war er in der Steuerabteilung des BDI tätig. Seither ist Dr. Eggers niedergelassener Anwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Steuerrecht für Verbände und Organisationen in Köln.

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