Am 2. Juli 2009, kurz vor der Sommerpause, hat der Deutsche Bundestag zwei Gesetze zu Änderungen im Vereinsrecht beschlossen. Neben der lange diskutierten Haftungsbeschränkung für ehrenamtlich tätige Vorstandsmitglieder wurden noch Regelungen zum elektronischen Vereinsregister erlassen. Weitere Neuerungen tragen der bisherigen Rechtsprechung Rechnung und schaffen mehr Klarheit in Punkten Beschlussfassung und Vertretung beim mehrgliedrigen Vorstand.
Über die im Bundestag beschlossenen Gesetze muss noch im Bundesrat entschieden werden. Er wird sich mit den beiden Gesetzen voraussichtlich im September befassen. Seine Zustimmung gilt als sicher, sodass mit folgenden Neuerungen zu rechnen ist:
Haftungsbeschränkung durch Einführung eines neuen § 31 a BGB
Über die Einführung eines neuen § 31a BGB wird die Haftungsbeschränkung für ehrenamtlich tätige Vorstandsmitglieder neu geregelt. Die Vorschrift lautet:
„§ 31 a: Haftung von Vorstandsmitgliedern
(1) Ein Vorstand, der unentgeltlich tätig ist oder für seine Tätigkeit eine Vergütung erhält, die 500 Euro jährlich nicht übersteigt, haftet dem Verein für einen in Wahrnehmung seiner Vorstandspflichten verursachten Schaden nur bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Satz 1 gilt auch für die Haftung gegenüber den Mitgliedern des Vereins.
(2) Ist ein Vorstand nach Absatz 1 Satz 1 einem anderen zum Ersatz eines in Wahrnehmung seiner Vorstandspflichten verursachten Schadens verpflichtet, so kann er von dem Verein die Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde.“
Die Vorschrift richtet sich ersichtlich eher an kleinere Vereine, weniger an große, professionell geführte Verbände. Laut Gesetzesbegründung ist die Übernahme von Leitungsfunktionen mit erheblichen Haftungsrisiken verbunden, die für ehrenamtlich und unentgeltlich tätige Mitglieder teilweise nicht mehr zumutbar erscheinen. Hintergrund der Novellierung dürfte der sein, dass sich in vielen Vereinen keine Personen mehr fanden, die sich im Hinblick auf das nicht abschätzbare Haftungsrisiko für einen Vorstandsposten zur Verfügung stellten.
Voraussetzung: unentgeltliche Tätigkeit
Die Neuerungen sollen für solche Vorstandsmitglieder gelten, die für ihre Tätigkeit keine Vergütung erhalten. Unter „Vergütung“ können aber auch die Gewährung von Geld- oder Sachleistungen sowie die Gewährung geldwerter Vorteile, wie z. B. die Befreiung von den Mitgliedsbeiträgen, fallen. Aufwendungsersatz, der geleistet wird, fällt allerdings nicht unter den Begriff des „Entgelts“. An diesem Punkt wird in der Praxis auch zu klären sein, wie es sich zum Beispiel bei pauschaliertem Aufwendungsersatz verhält. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich klargestellt, dass der Begriff „unentgeltlich“ dem Begriff „ehrenamtlich“ gleichsteht.
Die Haftungserleichterungen gelten auch für Vorstandsmitglieder, die eine geringfügige Vergütung von maximal 500 Euro jährlich erhalten. Hierbei orientierte sich der Gesetzgeber am Freibetrag des § 3 Nr. 26a EStG (Übungsleiterpauschale). Dadurch soll gewährleistet werden, dass Vereine und Vorstandsmitglieder die steuerlichen Vorteile ausnutzen können, ohne haftungsrechtliche Nachteile zu erleiden. Ein zusätzliches Entgelt, das ein Vorstandsmitglied für eine Mitarbeit beim Verein erhält, die nicht in Zusammenhang steht mit seiner Vorstandstätigkeit (z. B. als Sozialarbeiter oder Trainer), zählt freilich nicht dazu.
Abweichungen von der ursprünglichen Gesetzesinitiative
Im Gegensatz zu früheren Gesetzentwürfen beschränkt sich die Haftungserleichterung nicht auf steuerbegünstigte Vereine i. S. d. §§ 51 ff. AO. Durch einen Verweis in § 86 S. 1 BGB sind nunmehr auch ehrenamtlich tätige Stiftungsvorstände von den Haftungserleichterungen erfasst. Dies dürfte dann wiederum auch für Verbände interessant sein, wenn geplant ist, eine Stiftung ins Leben zu rufen und diese zunächst nur mit ehrenamtlich tätigen Vorstandsmitgliedern zu führen. Die zunächst vom Gesetzgeber geplanten Änderungen hinsichtlich der Haftung für die Verletzung der Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 28e SBC IV) sowie der Verletzung von steuerlichen Pflichten (§§ 34, 69 AO) wurden nicht umgesetzt. Die Gesetzesbegründung führt hierzu aus, dass die Vorstandsmitglieder in diesen Fällen bereits jetzt nur unter ganz strengen Voraussetzungen haften. Es wurde befürchtet, dass die Vereine für die Ressorts, die für die Bereiche Steuern und Sozialabgaben zuständig sind, dann noch seltener „Freiwillige“ finden, die dieses Amt übernehmen.
Nach wie vor gelten generelle Überwachungspflichten
Zu beachten ist, dass selbstverständlich auch nach Inkrafttreten der Neuerungen eine generelle Überwachungspflicht der übrigen Vorstandsmitglieder besteht, insbesondere dann, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das jeweils zuständige Mitglied seine Pflichten nicht gewissenhaft erfüllt. Dies gilt insbesondere für die ordnungsgemäße Abführung von Sozialabgaben und Steuern sowie für die Stellung eines notwendigen Insolvenzantrags und entspricht der bisherigen Rechtsprechung des BGH. Diese verbleibende Überwachungspflicht soll zum Ausdruck bringen, dass die Vorstandsmitglieder gemeinsam für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Pflichten zur Abführung von Steuern und Sozialabgaben Verantwortung tragen.
Auswirkung auf Verbände
Für größere Verbände ist die Neuerung höchstens im Hinblick auf Mitgliedsvereine interessant, die ehrenamtlich geführt werden. Zum einen sollte der Verband auf eine klar aufgeteilte Zuständigkeit bei seinen Mitgliedsvereinen achten, zum anderen dafür sorgen, dass in Fällen, in denen beim ehrenamtlich geführten Mitgliedsverein Haftungsfälle auftreten, geprüft wird, ob eine Haftung nach der neuen Gesetzeslage nicht ausscheidet.
Die Neuerung bedeutet keinesfalls, dass nunmehr eine lasche Führung der Geschäfte bei nicht professionell organisierten Vereinen unsanktioniert bleiben soll. Im Gegenteil: Ein Verein, der dieses Privileg in Anspruch nehmen möchte, muss dafür sorgen, dass die Geschäftsverteilung eindeutig und klar in schriftlicher Form vorliegt. Sofern dies die Satzung nicht bereits hergibt, muss auf jeden Fall eine Geschäftsordnung für den Vorstand erlassen werden, in der die einzelnen Kompetenzen zugewiesen werden. Als Fazit bleibt festzustellen, dass die externe Haftung des Vorstands im Großen und Ganzen unverändert bleibt, lediglich die interne Haftung wird zugunsten des Vorstandsmitglieds begrenzt.
Elektronische Anmeldungen zum Vereinsregister
Durch Änderungen der registergerichtlichen Vorschriften und zusammen mit der Reform des FGG wird nun auch im Vereinsbereich der Weg eröffnet, Anmeldungen und Änderungen beim Regis-tergericht in elektronischer Form vorzunehmen. Es handelt sich hierbei um ein Ermächtigungsgesetz an die Länder, die dieses umsetzen müssen. Im Gegensatz zum Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister bleibt jedoch für Vereine weiterhin die Anmeldung in Papierform möglich. Dies kommt vor allem kleineren Vereinen entgegen, die oft nicht die technischen Voraussetzungen haben. Für große Vereine und Verbände bringt die Neuerung merkliche Vorteile, da Dokumente ohne großen Aufwand an das Registergericht geschickt werden und Daten leichter eingesehen werden können.
Vertretungsregelung bei mehrgliedrigem Vorstand
Eine weitere wichtige Neuerung betrifft die Vertretungsregelung, § 26 BGB. Gemäß § 26 Abs. 2 S. 1 BGB n. F. wird der Verein, sofern der Vorstand aus mehreren Personen besteht, durch die Mehrheit der Vorstandsmitglieder vertreten. Über § 40 BGB kann hiervon in der Satzung abgewichen werden. Durch die Neuregelung wird endlich klargestellt, dass bei einem mehrgliedrigen Vorstand keine vorstands-interne Beschlussfassung notwendig ist. Dies war oft ein Streitpunkt und ist nunmehr geklärt. Im Hinblick darauf ist anzuraten, die bestehenden Satzungen zu überprüfen, ob die Vertretungsregelung klar und eindeutig ist.
Gewichtung von nicht abgegebenen Stimmen bei Beschlussfassungen
Endlich wurde hinsichtlich der Stimmengewichtung eine Klarstellung herbeigeführt. Hierzu wurden mehrere Vorschriften, die die Beschlussfassung in verschiedenen Angelegenheiten regeln, u. a. §§ 32 Abs. 1 S.3 und 33 BGB, angepasst. Bislang ist die Regelung nicht eindeutig: Bei einer Beschlussfassung entscheidet die „Mehrheit der erschienenen Mitglieder“. An diesem Punkt ist oft der Streit entbrannt, wie mit ungültigen oder nicht abgegebenen Stimmen zu verfahren ist. Bereits im Jahr 1982 hatte der BGH entschieden, dass Enthaltungen nicht mitzuzählen sind; dem hat sich dann auch die Literatur angeschlossen. Ansonsten würden diese nicht abgegebenen Stimmen als „Nein-Stimmen“ gezählt und damit doch gewichtet, was zu unbilligen Ergebnissen führen würde. Mit der Formulierung, dass bei Beschlussfassungen die Mehrheit der „abgegebenen Stimmen“ entscheidet, hat der Gesetzgeber nun endlich Klarheit geschaffen.
Ausschluss vom Stimmrecht in eigenen Angelegenheiten gilt auch für den Vorstand
Eine weitere Klarstellung erfolgt über eine Ergänzung des § 40 BGB: Der neue zweite Satz besagt, dass § 34 BGB auch für die Beschlussfassung des Vorstands gilt und dass davon durch die Satzung nicht abgewichen werden kann. Dies bedeutet, dass auch ein Vorstandsmitglied vom Stimmrecht ausgeschlossen ist, wenn es selbst von der Angelegenheit, über die abgestimmt wird, betroffen ist. § 34 BGB regelt dies wörtlich nur für „Mitglieder“.
Insolvenz: Ablehnung der Eröffnung mangels Masse
Durch die Ergänzung des § 42 BGB wird nunmehr eine Lücke im Vereinsrecht geschlossen. Wie für alle anderen juristischen Personen des Handelsrechts wird nun auch für den Verein gesetzlich geregelt, dass die Ablehnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse zur Auflösung des Vereins führt. Bislang konnte ein überschuldeter Verein, bei dem nicht genug Restvermögen vorhanden war, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken, nicht aufgelöst werden und als sogenannter werbender Verein weiter bestehen. War noch ein Restvermögen vorhanden, welches wenigstens die Verfahrenskosten deckte, stand der Verein also ein wenig besser da, so wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Verein aufgelöst. Da die Konsequenz hieraus den völlig abgebrannten Verein begünstigte, wurde nunmehr die Lücke gesetzlich geschlossen.
Entzug der Rechtsfähigkeit
Nach wie vor kann einem Verein die Rechtsfähigkeit entzogen werden, wenn sein Zweck nach der Satzung nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, er aber dennoch einen solchen Zweck verfolgt. Zwar wird der hierfür zurzeit noch einschlägige § 43 BGB gestrichen. Dies hat aber nicht zur Folge, dass eine solche Zweckverfehlung künftig unschädlich wäre. Durch die Änderung wird lediglich bewirkt, dass in solchen Fällen der Entzug der Rechtsfähigkeit nicht mehr wie bisher im Verwaltungsverfahren erfolgt, sondern im registerrechtlichen Verfahren, nämlich durch Löschung. Hierdurch verspricht sich der Gesetzgeber mehr Effizienz, da das Regis-tergericht ohnehin originär mit diesen vereinsrechtlichen Fragen vertraut ist, wohingegen es sich für die Verwaltungsbehörde um eher exotische Fälle handelt. Das Registergericht prüft bei Eintragung, ob die erforderlichen Voraussetzungen vorliegen, und soll daher auch prüfen, ob diese Voraussetzungen nachträglich weggefallen sind. Zudem soll durch die außenwirksame Löschung wohl ein deutlicheres Zeichen gesetzt werden.
Bei Idealvereinen sollen die Verwaltungsbehörden die Rechtsfähigkeit nur noch entziehen dürfen, wenn sich die Vereine unerlaubt wirtschaftlich betätigen. Bei Wirtschaftsvereinen soll die Entziehung der Rechtsfähigkeit dann möglich sein, wenn sie andere als die in der Satzung bestimmten Zwecke verfolgen. Eine wirklich befriedigende Lösung für die Vereinswirklichkeit, in der viele Idealvereine — oft sogar als steuerbegünstigt anerkannt — in nennenswertem Umfang am Wirtschaftsleben beteiligt sind, ist die Neuregelung jedoch nicht. Auf Dauer kann nicht gewollt sein, dass diese Vereine gelöscht werden oder ihre wirtschaftlichen Aktivitäten einstellen. Insbesondere nach der Entscheidung des BFH vom 04.04.2007 (Az.: I R 76/05) zum Umfang von Mittelbeschaffungsbetrieben, wonach selbst eine wirtschaftliche Betätigung in großem Umfang zulässig ist, soweit sie den gemeinnützigen Zwecken dient, ist ein vereinsrechtliches Vorgehen gegen Idealvereine nicht mehr zu rechtfertigen. Hier hat der Gesetzgeber eine Chance vergeben, die tatsächliche Situation zu berücksichtigen und angemessene Regelungen zu schaffen.
Parteifähigkeit nichtrechtsfähiger Vereine
Die Vorschrift des § 50 ZPO (Parteifähigkeit des Vereins) wird dahin gehend ergänzt, dass ein nicht rechtsfähiger Verein nicht nur verklagt werden, sondern auch klagen kann. Hierdurch wird endlich gesetzlich normiert, was in der Rechtsprechung spätestens seit der BGH-Entscheidung vom 02.07.2007 (Az.: II ZR 111/05) anerkannt war. Nach dem bisherigen Gesetzeswortlaut wurde nichtrechtsfähigen Vereinen nur die passive Prozessfähigkeit zugestanden, d. h., sie konnten verklagt werden und Anträge im Rahmen einer Widerklage oder in der Zwangsvollstreckung stellen. Dies hatte in der Praxis zu prozessualen Schwierigkeiten geführt. Nunmehr wurde endlich gesetzlich klargestellt, dass auch nichtrechtsfähige Vereine voll parteifähig sind. Aufgrund der bereits ergangenen BGH-Rechtsprechung wird sich aber in der Praxis nicht viel ändern. Nichtrechtsfähige Vereine finden sich in der Praxis häufig als Unterabteilungen mehrgliedriger Verbände, die als Zentralverein mit horizontalen Untergliederungen ausgestaltet sind. Damit die unselbstständige Untergliederung eines übergeordneten Verbandes als rechtsfähiger Verein und damit als parteifähig angesehen wird, muss die Abteilung auf Dauer Aufgaben nach außen in eigenem Namen durch eine eigene, handlungsfähige Organisation wahrnehmen. Des Weiteren muss die Untergliederung eine körperschaftliche Verfassung haben. Diese kann durchaus vom Dachverband beschlossen oder vorgegeben sein. Die Abteilung muss einen eigenen Namen führen, vom Wechsel ihrer Mitglieder unabhängig sein und neben ihrer unselbstständigen Tätigkeit auch für den Hauptverein Aufgaben selbstständig wahrnehmen.
Fazit
Die Änderungen des Vereinsrechts führen zu einigen Klarstellungen und Erleichterungen, insbesondere beim registergerichtlichen Verfahren. Der große Wurf hinsichtlich der Haftungsbeschränkung ist nicht unbedingt gelungen. Für Verbände wird sich durch die Änderungen nicht viel ändern, aber eventuell für die ehrenamtlich geführten Mitgliedsvereine.