Verbändereport AUSGABE 6 / 2013

Pensionsverpflichtungen von Verbänden: Eine tickende Zeitbombe?

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Es gab einmal eine Zeit – so etwa vor 30 Jahren –, als für viele Verbände die Welt noch in Ordnung war. Eine florierende Wirtschaft, ein stabiles Beitragsaufkommen, glänzende Zukunftsperspektiven. Eine Zeit, in der vielen Mitarbeitern – und beileibe nicht nur der Verbandsspitze – Pensionszusagen erteilt wurden.

Mit einer Pensionszusage verpflichtet sich ein Verband zur Zahlung von Versorgungsbezügen direkt an den Versorgungsempfänger. Üblicherweise besteht eine Pensionszusage aus drei Leistungsversprechen: Altersversorgung, Hinterbliebenenversorgung, Berufsunfähigkeitsversorgung.

Die Altersversorgung kann als Ruhegehalt oder als einmalige Abfindung geleistet werden. Die Witwen- und Waisenrente beträgt zumeist 60 Prozent der Altersversorgung. Die Absicherung für den Fall, dass der Versorgungsempfänger vor Erreichen des Pensionsalters berufsunfähig wird, erfolgt normalerweise in gleicher Höhe wie die Altersrente. An diesem Modell, das im Unternehmensbereich weit verbreitet ist, haben sich auch viele Verbände orientiert. Hierbei haben die Verbände aber einen ganz wesentlichen Punkt übersehen: Unternehmen können durch bilanzielle Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen ihr steuerliches Ergebnis drücken, also Steuern sparen und somit Liquidität schöpfen. Für die nicht ertragsteuerpflichtigen Verbände fällt dieser Vorteil weg.

Welche finanzielle Last diesen Verbänden für die Zukunft aufgebürdet würde, war in der Vergangenheit vielfach nicht hinreichend bedacht worden. In der Gegenwart, unter völlig veränderten wirtschaftlichen und verbandspolitischen Rahmenbedingungen, mehren sich in der Praxis die Probleme. Im Extremfall haben Pensionsverpflichtungen Verbände bereits in die Insolvenz getrieben. Wie konnte es dazu kommen?

Gefahren einer Pensionsverpflichtung

In vielen Fällen wurde bei den Verbänden nicht realisiert, in welchem Umfang sie bereits lange vor Erreichen des Pensionsalters des Versorgungsberechtigten eigene wirtschaftliche Verpflichtungen eingegangen sind. Soweit Verbände ihr Jahresergebnis nur in Form einer „klassischen“ vereinsrechtlichen Jahresrechnung und einer Vermögensaufstellung dokumentiert haben, wurden die Verpflichtungen aus Pensionszusagen häufig gar nicht in der Vermögensaufstellung ausgewiesen. In diesen Fällen war daher nicht erkennbar, ob das Aktivvermögen des Verbandes überhaupt ausreichte, um die Verpflichtungen aus Pensionszusagen zu decken. Damit bestand möglicherweise schon frühzeitig eine latente Überschuldung, die es erforderlich gemacht hätte, die Insolvenz des Verbandes anzumelden. Eine gleichartige Gefahrenlage war in den nicht seltenen Fällen gegeben, in denen der Verband einen Vermögensstatus erst gar nicht aufgestellt hatte.

Fehler im Bereich der Rückdeckung

Aber auch bei bilanzierenden Verbänden, die in ihrer Bilanz regelmäßig Pensionsrückstellungen passiviert haben, finden sich gelegentlich gravierende Versäumnisse.

An erster Stelle steht hier eine fehlende Rückdeckung der Pensionsverpflichtungen. Dem Vernehmen nach ist ein erheblicher Teil der vor geraumer Zeit erteilten Pensionszusagen nicht oder nicht ausreichend rückgedeckt.

Auch bei Bestehen einer Rückdeckung ist das Problem nicht per se ausreichend gelöst. Die meisten älteren Pensionszusagen sind durch eine Kapitallebensversicherung rückgedeckt. Dabei wurde die Ablaufleistung so kalkuliert, dass sie bei Rentenbeginn dem gesetzlich definierten Barwert der Pensionsverpflichtung entspricht (Altersrentenbarwert nach Heubeck). Von der Versichererseite ist jedoch zu hören, dass die Heubeck-Methode nicht ausreicht, wenn man den Kapitalbedarf ermittelt, der nach den Rechnungsgrundlagen der deutschen Versicherungswirtschaft zur Finanzierung einer zugesagten Altersrente bzw. Hinterbliebenenrente erforderlich sein wird.

Im Ergebnis können bei einer Rückdeckung durch Kapitallebensversicherungen erhebliche rechnerische Deckungslücken bestehen.

Verantwortlichkeit des Vorstandes

Mancher Verband wird heute von den Versäumnissen der Vergangenheit eingeholt. Es ist Aufgabe des Vorstandes zu ermitteln, ob die bestehenden Pensionsverpflichtungen zu einer insolvenzrechtlichen Überschuldung des Verbandes führen. In diesem Fall ist jedes Mitglied des Vorstandes verpflichtet, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen (§ 42 Abs. 2 BGB). In dem weniger dramatischen Fall, dass die Rückdeckung durch eine Kapitallebensversicherung nicht oder nicht mehr ausreicht, muss man über eine Anpassung der Versicherung nachdenken.

Ein Fall, an den man ferner denken muss: Solange ein Verband zur Zahlung von Versorgungsleistungen verpflichtet ist (und diese Verpflichtung auch erfüllen kann), kann er nicht liquidiert werden. Im Extremfall besteht dann die einzige Tätigkeit eines solchen Verbandes nur noch darin, die Altersversorgung der Pensionäre oder ihrer Hinterbliebenen auszuzahlen. Ein solcher Verband ist dann nicht mehr steuerbefreit, weil er keinen Befreiungstatbestand des § 5 KStG erfüllt.             

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Autor/in

Winfried Eggers

erlernte das „Steuerhandwerk” als Regierungsrat in der Verwaltung in NRW. Er war danach neun Jahre Finanzrichter beim Finanzgericht Köln. Bis Mitte 1998 war er in der Steuerabteilung des BDI tätig. Seither ist Dr. Eggers niedergelassener Anwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Steuerrecht für Verbände und Organisationen in Köln.

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