Zu den ĂŒblichen Regularien der Mitgliederversammlungen zĂ€hlt die Entlastung von Vorstand und GeschĂ€ftsfĂŒhrung. Welche Voraussetzungen muss sie erfĂŒllen und worin bestehen die Rechtswirkungen? Diesen Fragen geht der heutige Beitrag nach.
Rechtsgrundlagen
Anders als bei den handelsrechtlichen Gesellschaften ist die Entlastung in Vereinen nicht gesetzlich geregelt. FĂŒr die Handelsgesellschaften finden sich diese Vorschriften in den § 119 Abs. 1 Nr.3 Aktiengesetz, § 46 Nr. 5 GmbH-Gesetz und § 37 Abs. 2 und § 48 Abs. 1 Genossenschaftsgesetz. Die vereinsrechtliche Entlastung findet daher ihre Rechtsgrundlage in der Satzung. Satzungen können die Entlastung vorsehen, mĂŒssen es aber nicht. Bei der PrĂŒfung der Voraussetzungen und Wirkungen der Entlastung können allerdings die genannten handelsrechtlichen Vorschriften sowie die dazu ergangene Rechtsprechung herangezogen werden.
Wirkung der Entlastung
Eine wirksame Entlastung beinhaltet den Verzicht des Verbandes und Vereins auf die Geltendmachung von Schadensersatz- und BereicherungsansprĂŒchen sowie auf KĂŒndigungsrechte gegenĂŒber den Entlasteten, soweit diese dem Entlastung erteilenden Organ bekannt waren oder bekannt sein mussten. Allerdings tritt diese Wirkung nur bei verzichtbaren AnsprĂŒchen ein. Unverzichtbar sind beispielsweise die AnsprĂŒche der GlĂ€ubiger wegen Insolvenzverzögerung gemÀà § 42 Abs. 2 Satz 1 BGB, der folgenden Wortlaut hat: âWird die Stellung des (Insolvenz-) Antrags verzögert, so sind die Vorstandsmitglieder, denen ein Verschulden zur Last fĂ€llt, den GlĂ€ubigern fĂŒr den daraus entstehenden Schaden verantwortlich; sie haften als Gesamtschuldner.â
Wem kann Entlastung erteilt werden und wer kann Entlastung erteilen?
Ăblicherweise wird dem Vorstand und der GeschĂ€ftsfĂŒhrung Entlastung erteilt. Der Verband ist aber autonom, in der Satzung auch andere Gremien zu bezeichnen, denen in der Mitgliederversammlung Entlastung erteilt werden soll. Dies kann beispielsweise eine Aufsichtrat (Verwaltungsrat) oder auch ein Verbandsausschuss sein. Desgleichen ist der Verband nicht darin beschrĂ€nkt, in seiner Satzung Einzelentlastung fĂŒr alle Vorstands- oder Aufsichtsratmitglieder oder Entlastung en bloc (etwa fĂŒr den gesamten Vorstand) vorzusehen. Wird aus der Mitte der Versammlung Einzelentlastung beantragt, hĂ€ngt die ZulĂ€ssigkeit von der entsprechenden Satzungsklausel ab: Wird darin zwingend die en-bloc-Entlastung vorgeschrieben (was selten vorkommen dĂŒrfte), dann wĂ€re der Antrag nur zulĂ€ssig und begrĂŒndet, wenn nachvollziehbare GrĂŒnde fĂŒr eine Einzelentlastung vorliegen. Ein solcher Grund kann beispielsweise vorliegen, wenn bei einem mehrköpfigen Vorstand die Vorstandsmitglieder in unterschiedlicher Weise Verantwort fĂŒr einen Vorgang tragen (so Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, Rnr. 1535a; weitergehend Lange/WeidmĂŒller/Metz, Genossenschaftsgesetz, § 43 Rnr. 85: âUnentziehbares Mitgliedschaftsrecht, Einzelabstimmung ĂŒber Entlastung zu verlangen.â)
In den meisten FĂ€llen sieht die Satzung vor, dass fĂŒr die Entlastung die Mitgliederversammlung zustĂ€ndig ist. Aufgrund der Satzungsautonomie ist es aber auch möglich, die Entlastung dem Aufsichtsrat oder einem sonstigen Verbandsgremium zuzuweisen.
Voraussetzung der Entlastung
Damit die Entlastungswirkung fĂŒr einen bestimmten Zeitraum eintreten kann, muss das Entlastungsorgan ĂŒber die wesentlichen Fakten ins Bild gesetzt worden sein. Dies erfolgt ĂŒblicherweise durch den GeschĂ€fts- oder Rechenschaftsbericht des Vorstandes. Ist dieser im Wesentlichen vollstĂ€ndig und zutreffend, dann bewirkt die daraufhin erteilte Entlastung die oben beschriebenen Forderungs- und KĂŒndigungsverzichte. UmstĂ€nde, die dem Entlastungsorgan nicht bekannt waren, werden von dem Forderungsverzicht nicht erfasst.
Abstimmverbote
Bei der Abstimmung dĂŒrfen diejenigen, denen Entlastung erteilt werden soll, nicht mitstimmen, da vereinsrechtlich niemand âRichter in eigener Sacheâ sein darf. Bei en-bloc-Abstimmung ĂŒber die Entlastung des Vorstandes darf also kein Vorstandsmitglied abstimmen; bei Einzelentlastung des Vorstandes darf nur das jeweiloige Mitglied nicht abstimmen.
Anfechtung der Entlastung
War die Entlastung aus formellen oder materiellen GrĂŒnden unwirksam, kann sie gerichtlich angegriffen werden. Formell ist eine Entlastung beispielsweise unwirksam, wenn sie satzungswidrig nicht in der Tagesordnung enthalten war, Materiell kann sie unwirksam sein, wenn alle fĂŒr die Entlastung stimmenden Mitglieder grobe Pflichtwidrigkeiten der Entlasteten kannten und sie nur fĂŒr die Entlastung stimmten, umandere Vereinsmitglieder mit dem Ausschluss von ErsatzansprĂŒchen zu schĂ€digen (Reichert a.a.O., Rdn. 1539). Die Klage bei dem zustĂ€ndigen Landgericht richtet sich in diesen FĂ€llen auf Feststellung der Unwirksamkeit der Entlastung; klagebefugt ist jedes Vereinsmitglied (Reichert a.a.O. Rnr. 1539 b)
Entlastungsklage
Denjenigen, denen die Entlastung satzungswidrig verweigert worden ist, steht ebenfalls eine Klagemöglichkeit zur VerfĂŒgung. Richtige Klageart ist in diesen FĂ€llen die Verpflichtungsklage zur Abgabe einer organschaftlichen WillenserklĂ€rung gemÀà § 894 ZPO (OLG Hamburg, Betriebsberater 1960:; Seite 996).