Verbändereport AUSGABE 6 / 2009

Umsatzsteuer auf Mitgliedsbeiträge: Neues Urteil des EuGH schafft Klarheit

Urteil des EuGH vom 12. Februar 2009, Aktenzeichen: C-515/07

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Seit dem Urteil des EuGH in dem bekannten Golfclub-Fall (Fall Kennemer Golf & Country Club) ist die Diskussion über die Umsatzsteuerpflicht auf Mitgliedsbeiträge nie ganz verstummt. Der EuGH hatte in dem Golfclub-Fall entschieden, dass Mitgliedsbeiträge für Vereine unter bestimmten Umständen umsatzsteuerbar sein können. Im Streitfall bedeutete das konkret, dass eine Umsatzsteuerbarkeit dann gegeben ist, wenn ein Sportverein seinen Mitgliedern Sportstätten gegen Zahlung des Mitgliedsbeitrags zur Nutzung zur Verfügung stellt. In Verbandskreisen wurde daraufhin vielfach der Schluss gezogen, dass Mitgliedsbeiträge generell der Umsatzsteuer unterlägen.

Diese Auffassung wird z. T. auch in der steuerlichen Fachliteratur vertreten. Dabei wird aber geflissentlich übersehen, dass der EuGH in seinem Golfclub-Urteil Mitgliedsbeiträge nicht generell als umsatzsteuerbar angesehen hat, sondern nur unter der Voraussetzung, dass die Zahlung der Mitgliedsbeiträge das Entgelt für eine Gegenleistung des Vereins an die Mitglieder darstellt. Dies ist nichts Besonderes, da das gesamte Umsatzsteuerrecht nur zur Anwendung kommt, wenn zwischen den Beteiligten ein Leistungsaustausch zustande kommt und ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung besteht.

„Echte“ und „unechte“ Mitgliedsbeiträge

Damit stellt sich generell die Frage, ob Mitgliedsbeiträge zu einem Idealverein (§ 21 BGB) das Entgelt für eine irgendwie geartete Leistung des Vereins an seine Mitglieder darstellt. Wenn und soweit ein solcher Verein – der idealtypischen Regelung in § 21 BGB entsprechend – sich wirklich nur in idealistischer, also nichtwirtschaftlicher Weise betätigt, erbringt er seinen Mitgliedern keine unmittelbare Gegenleistung. Allenfalls kommt den Mitgliedern ein gewisser Reflex der Tätigkeit des Vereins zugute; dann fehlt es aber an dem für die Umsatzbesteuerung erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Zahlung des Mitgliedsbeitrags und einem etwaigen „benefit“ der Mitglieder. Diese Beurteilung liegt auch der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der Auffassung der Finanzverwaltung zugrunde, die seit Langem schon zwischen „echten“ und „unechten“ Mitgliedsbeiträgen unterscheidet (vgl. Abschnitt 4 der amtlichen Umsatzsteuer-Richtlinien). „Echte“ Mitgliedsbeiträge sind danach solche, die für die Wahrnehmung allgemeiner Mitgliederbelange gezahlt werden. Im Gegensatz dazu sind „unechte“ Mitgliedsbeiträge in Wirklichkeit keine Mitgliedsbeiträge, sondern stellen ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach Gegenleis-tungen für eine wirtschaftliche Leistung des Vereins an seine Mitglieder dar. Die Rechtsfigur der „unechten“ Mitgliedsbeiträge trägt damit der Tatsache Rechnung, dass viele Vereine sich – neben ihrer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit – als Dienstleister für ihre Mitglieder anbieten. Zahlt ein Mitglied für eine derartige Dienstleistung, so ist es folgerichtig, die Zahlung der Umsatzbesteuerung zu unterwerfen, und zwar auch dann, wenn die Beteiligten die Zahlung als „Mitgliedsbeitrag“ bezeichnen. Entgegen der teilweise in der Fachliteratur vertretenen Auffassung ist daher die Unterscheidung zwischen „echten“ und „unechten“ Mitgliedsbeiträgen nicht obsolet geworden. Letzte Zweifel daran sind durch ein neues Urteil des EuGH beseitigt worden.

Die neue Entscheidung des EuGH

Die neue Entscheidung befasst sich nicht explizit mit der Frage, ob Mitgliedsbeiträge der Umsatzsteuer unterliegen. Vielmehr stand die Frage zur Debatte, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Verband den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann. Beide Fragen sind jedoch eng miteinander verknüpft.

Im Streitfall (Urteil des EuGH vom 12.2.2009, Aktenzeichen: C-515/07) ging es um einen niederländischen Landwirtschaftsverband (Vereniging Noordelijke Land- en Tuinbow Organisatie – VNLTO -), der nach seiner Satzung die Interessen des Agrarsektors in mehreren niederländischen Provinzen fördert. Zweck des Verbandes sind insbesondere die Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Landwirte und die Schaffung von Anreizen für eine Politik zur Entwicklung der Landwirtschaft in den Bereichen Forschung, Aufklärung und Ausbildung. Der Verband erhebt zur Finanzierung dieser Aktivitäten Mitgliedsbeiträge. Von seiner Zielsetzung her entspricht der Verband damit dem typischen Bild eines Berufsverbandes im Sinne der deutschen Definition des Begriffes „Berufsverband“. Daneben erbringt der niederländische Verband seinen Mitgliedern eine Reihe individueller Dienstleistungen, für die er aber eine gesonderte Vergütung berechnet. Insoweit war die Unternehmereigenschaft des Verbandes nicht strittig. Der EuGH hatte nun zu entscheiden, ob der niederländische Verband auch insoweit als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts anzusehen ist, als er die allgemeinen Interessen seiner Mitglieder wahrnimmt. Dies hat der EuGH mit einer sehr prägnanten Formulierung verneint:

„Es steht außer Frage, dass Tätigkeiten wie die Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Mitglieder durch eine Vereinigung keine „der Mehrwertsteuer unterliegende“ Tätigkeiten im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie sind, da sie nicht in der entgeltlichen Lieferung von Gegenständen oder Erbringung von Dienstleistungen bestehen.“ Das Gericht bezieht sich in dieser Entscheidung auf den Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977, der auf den Streitfall noch Anwendung fand. Diese Vorschrift entspricht jetzt dem Art. 2 Abs. 1 Buchst. a) und c) der am 1.1.2007 in Kraft getretenen Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, sodass die EuGH auch weiterhin aktuelle Bedeutung hat.

Schlussfolgerung

Wenn die Wahrnehmung allgemeiner Interessen durch einen Berufsverband nach Auffassung des EuGH keine der Mehrwertsteuer unterliegende Tätigkeit ist, können die für diese Verbandstätigkeit gezahlten Mitgliedsbeiträge ebenfalls nicht der Umsatzbesteuerung unterliegen. Sie sind nicht „umsatzsteuerbar“, sondern stellen Zahlungen in einem nichtunternehmerischen Tätigkeitsbereich des Verbandes dar. Damit stellt sich die Frage nach einer eventuellen Umsatzsteuerbefreiung solcher Zahlungen erst gar nicht. Und erst recht kann der Verband nicht für eine Umsatzsteuerpflicht dieser Mitgliedsbeiträge „optieren“. Denn eine Option setzt immer die Umsatzsteuerbarkeit des Vorgangs voraus. Im Ergebnis ist durch die neue Entscheidung des EuGH die Unterscheidung in „echte“ und „unechte“ Mitgliedsbeiträge bestätigt worden. Dies ist eine gute Nachricht für Berufsverbände, deren Mitglieder nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, wie z. B. Ärzte, Banken und Versicherungsunternehmen. Ihnen bleibt eine Erhöhung der „echten“ Mitgliedsbeiträge um den Betrag der Umsatzsteuer erspart. Bei einem Steuersatz von 19 Prozent ist diese Ersparnis kein Pappenstiel. Des einen Freund ist aber des anderen Leid: Berufsverbände, deren Mitglieder zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, werden die Entscheidung bedauern, weil ihnen der Vorsteuerabzug im Bereich der Wahrnehmung allgemeiner Mitgliederinteressen versagt bleibt.

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Autor/in

Winfried Eggers

erlernte das „Steuerhandwerk” als Regierungsrat in der Verwaltung in NRW. Er war danach neun Jahre Finanzrichter beim Finanzgericht Köln. Bis Mitte 1998 war er in der Steuerabteilung des BDI tätig. Seither ist Dr. Eggers niedergelassener Anwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Steuerrecht für Verbände und Organisationen in Köln.