Verbändereport AUSGABE 7 / 2013

Die Schlankheitskur im Verband

Drei Qualitätsmanagement-Modelle vorgestellt

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Qualitätsmanagement ist kein neuer Begriff und viele Verbände beschäftigen sich mit dem Komplex. Sei es, dass systematische Überlegungen angestellt werden oder interne Prozesse generell auf den Prüfstand gestellt werden. Fest steht: Wer schlagkräftig und dabei möglichst ressourcenschonend auftreten möchte, braucht schlanke Strukturen und wetterfeste Prozesse. Auf dem Weg dorthin können Qualitätsmanagement-Systeme, oder kurz QM-Systeme, helfen.

Bereits seit 2006 sind zwei besonders für Verbände relevante QM-Systeme im Markt: DGVM ZERT der Deutschen Gesellschaft für Verbandsmanagement e.V. (DGVM) sowie das TQE-System der Fundraising Akademie Frankfurt. Basis beider Systeme ist die Normenfamilie ISO 9000:2000 ff. Darüber hinaus bestehen zwischen beiden Systemen wohl aber deutliche Unterschiede.

DGVM ZERT: Von Verbänden für Verbände

Die systematischen Kriterien von DGVM ZERT wurden dabei in Abstimmung mit den Zertifizierungspartnern TÜV-Rheinland-Group und DQS entwickelt und 2010 einer Revision unterworfen und in der zweiten Auflage weiter auf die Bedürfnisse der Verbandsarbeit ausgerichtet. Ziel ist, „den Anforderungen der in der DGVM zusammengeschlossenen Berufsverbände nach einem einheitlichen Organisationsstatut gerecht zu werden“ und dabei die Qualitätsnorm ISO 9001:2000ff in die Verbandswelt zu übertragen, sagt Bernd Beder, einer der Initiatoren. Besonders mit Blick Bereiche wie Finanzen, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit oder Lobbyarbeit wurde die ISO-Norm erweitert.

So entstand eine Norm, die Organisationshilfe und Anleitung zur Zertifizierung zugleich ist! „Dieser Gesichtspunkt ist besonders für solche Verbände interessant, deren Mitglieder selbst DIN-zertifiziert sind oder die sich in einer Konkurrenzsituation zu Organisationen mit ähnlichem Verbandszweck befinden“, ergänzt Beder. Das ergänzen die beiden TÜV-Experten, Dr. Hans-Jürgen Richter und Antja Golbach, unisono: „Ein Qualitätsmanagementsystem legt die Basis für leistungsfähige Prozesse und Strukturen, damit ein Verband seine definierten Ziele auf effiziente und wirtschaftliche Weise erreichen kann. Oftmals fehlen in den Verbänden gesamtheitliche, systematische Managementansätze und Impulsgeber, die deren permanente Fortentwicklung unterstützen könnten.“

Mit der Norm DGVM ZERT ergeben sich in der Praxis handfeste Vorteile, wie die mittlerweile erfolgreichen Zertifizierungen und Audits aufzeigen. Vom VDZ Verband Deutscher Zeitschriften e.V. über den Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd e.V. bis hin zur Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) liegt der Fokus neben dem internen Re-Fitting und der Transparenz guter Leistungsfähigkeit gegenüber den Mitgliedern auch im Bereich Haupt- und Ehrenamt. Vielmehr: der Gewinnung von ehrenamtlichen Vertretern und der Bindung hauptamtlicher Leistungsträger. 

„Die Suche nach ehrenamtlichen Vorständen wird immer schwieriger. Dies liegt weniger an der mit einem Ehrenamt verbundenen zusätzlichen Arbeitsbelastung, sondern eher daran, dass die Haftungsgefahren für Vorstandsmitglieder in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen sind“, spricht Beder aus der Praxis. Dabei stehen die persönlichen Risiken – zumal bei Berufsverbänden – noch immer nicht im Gleichgewicht zum Mehrwert einer ehrenamtlichen Tätigkeit. Eine dokumentierte Struktur, die zudem auch Compliance-Richtlinien entspricht, senkt das persönliche Risiko erheblich. Gleichzeitig macht sie deutlich, wie effiziente Mitarbeit auch den zeitlichen und organisatorischen Einsatz gering hält und die Zugangshürde zum Ehrenamt damit weitersenkt.

Gleichzeitig rückt eine möglichst effektive Arbeit der Geschäftsstelle in den Vordergrund. In der Schaltzentrale eines Verbandes erbringen die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Serviceleistungen gegenüber den Mitgliedern, vermitteln Informationen, beraten und unterstützen. Eine gut organisierte, auf das Mitglied hin arbeitende und für es wirkende Geschäftsstelle steht nicht nur nach außen für Professionalität, sondern bewirkt auch ein ergebnisorientiertes Arbeitsklima, die erste Front der Mitgliederzufriedenheit.

Da liegt es nah, an diesem Gelenk der Verbandsarbeit Hand anzulegen und es für Qualität und Effizienz weiter fit zu machen. „Uns überzeugte gerade die Notwendigkeit, tradierte Prozesse zu verschlanken und stetig in einen Verbesserungsprozess einzutreten. Das Zertifikat ist keine einmalig erlangte Urkunde, sondern Selbstverpflichtung zu den jeweiligen Wiederholungsaudits, Verbesserungen erreicht zu haben“, freut sich Wolfgang Strauß, Direktor der Verbände des Bayerischen Zimmerer- und Holzbaugewerbes, die schon seit den 1990er-Jahren zertifiziert sind. Eine derartige Prozessorientierung, Mindestanforderung und Sprungbrett, dient immer der Effizienzsteigerung und damit der langfristigen Qualitätssicherung.

NPO-Label für Exzellenz im Ehrenamt

Prozesse wie Führung, Organisation und schließlich Leistungsfähigkeit und Mitgliederorientierung der Geschäftsstelle standen im Vordergrund der klassischen ISO-Zertifizierung. Als Ergänzung zu den Erfordernissen einer ISO-Norm setzt das „NPO-Label für Management Excellence“ des Verbandsmanagementinstituts (VMI) der Universität Freiburg in der Schweiz das Ehrenamt hinzu. Schlüsselthemen wie Transparenz beim Zustandekommen von Gremienentschlüssen und kooperativer Führungsstil stehen im Vordergrund des NPO-Labels für Management Excellence.

Das Label wird denjenigen Verbänden und gemeinnützigen Organisationen verliehen, die in festgelegter Weise und nachgewiesenem Maße ihr gesamtorganisatorisches Management nach dem heute verfügbaren Management-Wissen organisiert haben. Als Grundlage des Management-System für NPO dient das Freiburger Management-Modell (FMM). Im Vordergrund der Bewertung steht nicht das QM-System, vielmehr das Gesamt-Management-System mit Blick auf eine reibungslose systematische Ordnung der Verbandsführungs- und Gremienleitungsarbeit mit besonderem Blick auf das Ehrenamt.

„Nicht nur die Vorarbeiten zur Zertifizierung, sondern vor allem die alltägliche Orientierung an den Qualitätsmanagement-Systemen bringt für unsere Verbandsarbeit – und dies in allen Bereichen – enorme Vorteile, die wir heute nicht mehr missen wollten. Ein ganz gravierender Vorteil ergibt sich beispielsweise bei der Einarbeitung von neuen Mitarbeitern, die unsere Arbeit wesentlich schneller verstehen und so auch zeitiger ins Team integriert werden. Auch sonstige Reibungsverluste haben sich auf das Minimalste beschränkt“, fasst Wolfgang Strauß von den Verbänden des Bayerischen Zimmerer- und Holzbaugewerbes zusammen.

TQE-Modell: Mehr Geld für Fundraising

Als drittes verbandsorientiertes Normenmodell richtet das TQE-Modell (Total-Quality-Excellence) der Fundraising Akademie seinen Blick auf die Spenden sammelnden Organisationen. Es beruht ebenso auf der Normengruppe ISO 2001:9000; die Unterschiede zu DGVM ZERT ergeben sich aber aus der gegenüber DGVM ZERT fokussierten Zielgruppe, die der Fundraiser.

Die Entwicklung des TQE-Guides als Kriterienkatalog soll die Defizite in der Struktur von Spenden sammelnden Organisationen aufheben und griff maßgeblich auf die Erfahrung der Dozenten der Fundraising Akademie, deren Geschäftsfeld in der Ausbildung von Mitarbeitern (Fundraisern) der Spendenabteilungen gemeinnütziger Organisationen besteht, zurück.

Gerade für die Spenden sammelnden Organisationen ist zwingend eine Ergebniskontrolle unter Berücksichtigung interner und externer Benchmarks einzurichten, worauf das TQE-Modell Wert legt. Mit der TÜV-Rheinland-Group als Zertifizierungspartner wurde das TQE-Modell Fundraising entwickelt, um eine Ergebniskontrolle neben der Optimierung interner Prozesse und Verfahren einzurichten.

Wie auch bei DGVM ZERT können die beteiligten Organisationen sich durch den TÜV von externer Stelle zertifizieren lassen. Durch vielfältige Missbrauchsfälle ist die Aufmerksamkeit hoch, wenn es darum geht, was die Organisationen mit dem Geld der Spenderinnen und Spender, das ihnen für die satzungsgemäßen Zwecke gegeben wurde, tatsächlich anstellen. Compliance ist ein Schlagwort. Das TQE-Modell mit einer TÜV-Zertifizierung kann die von der Öffentlichkeit und den Spendern geforderte Transparenz im Hinblick auf die Mittelverwendung herstellen. Dies wird möglich, da der TÜV-Auditor die zu zertifizierende Organisation in Begleitung eines Fachauditors-Fundraising besucht und sich vor Ort von der Umsetzung der in der TQE festgelegten Regeln ein Bild macht und auch die Dokumentation der Umsetzung nachvollzieht. So wird deutlich, ob die Organisation die Vorgaben auch tatsächlich auf allen Ebenen lebt.

Fazit

Drei Modelle, drei Schwerpunkte. Je nach Zielsetzung kommt ein QM-System oder die Kombination von zweien infrage, um den Verband fit zu machen. Ja, die Einführung eines QM-Systems braucht Zeit und ist mit Aufwand verbunden. Regelmäßige Rezertifizierungen alle zwei oder drei Jahre binden abermals Ressourcen. Doch der Aufwand lohnt, wenn alle Beteiligten an einem Strand ziehen und damit die eigene Arbeitsweise nicht nur überdenken, sondern auch verschlanken. Ganz nebenbei wird die Organisation wetterfest und krisensicherer gemacht. Von den werblichen Vorteilen noch ganz zu schweigen. Eine wohlüberlegte und gut angelegte Zertifizierung ist eine Schlankheitskur für die Organisation und attraktivitätssteigernd zugleich. 

DGVM ZERT zertifizierte Verbände (Auszug*)

In den letzten Jahren wurden u. a. folgende Verbände zertifiziert:

  • Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd e.V.
  • Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) e.V.
  • Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue           
  • Medien e.V. (BITKOM)
  • Caravaning Industrie Verband e.V. (CIVD)
  • Deutscher Steuerberaterverband e.V.
  • DFJV Deutscher Fachjournalisten-Verband AG
  • DWA Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V.
  • Fachverband Schreinerhandwerk Bayern
  • IHK Berlin
  • IVD Immobilienverband Deutschland
  • Südbayerische Zahntechnikerinnung
  • Unternehmerverbände Südhessen e.V.
  • VDZ Verband Deutscher Zeitschriften e.V.

* Diese Liste ist nicht abschließend, da es den zertifizierten Verbänden, seien sie Mitglied der DGVM oder nicht, selbst obliegt, ob und wie die Zertifizierung veröffentlicht wird. Stand: September 2013

Weiterführende Informationen zum Qualitätsmanagement

Bisher erschienene Fachartikel im Verbändereport:

  • Projektbericht: Einführung eines integrierten Qualitäts- und Wissensmanagementsystems im Verband (Ausgabe Verbändereport 03/12)
  • „Wir sind jetzt einfach besser“: Ein Erfahrungsbericht über die Einführung und Zertifizierung von QM-Systemen (Ausgabe Verbändereport 04/11)
  • ISO 9001 und DGVM ZERT – machtvolle Instrumente für das Verbandsmanagement (Ausgabe Verbändereport 04/11)
  • DIN, IEC, CEN, ISO und Co.: Einführung in die Normierung (Ausgabe Verbändereport 08/10)
  • Systematische Risikominimierung durch Qualitätsmanagement (Ausgabe Verbändereport 08/10)
  • Qualitätsmanagement – ein systematischer Ansatz für erfolgreiches Verbandsmanagement DGVM ZERT: Ein QMS nach DIN EN ISO 9001 für Verbände (Ausgabe Verbändereport 01/10)
  • Qualitätsmanagement ist ein offener Prozess: Erfahrungsbericht über die Einführung eines QMS nach DGVM ZERT beim Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e.V. (VDZ) (Ausgabe Verbändereport 01/10)
  • BOGK, Neupositionierung eines Branchenverbandes: Bundesverband der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie e.V. mit neuen Weichenstellungen (Ausgabe Verbändereport 02/09)
  • Die Ressourcen des Verbandes optimal nutzen – Projektbericht über die Einführung eines Qualitätsmanagement-Systems und die Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001:2000 des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall (Ausgabe Verbände-report: 01/07)
  • Qualitätsmanagement in der Praxis: Verbände des Bayerischen Zimmerer- und Holzbaugewerbes zertifiziert nach ISO Norm und NPO-Label für Management Excellence (Ausgabe Verbändereport 04/07)
  • Königsweg der Ertüchtigung und Modernisierung? Von der Notwendigkeit eines Qualitätsmanagements für Verbände (Ausgabe Verbändereport 04/07)
  • Einführung eines Qualitätsmanagementsystems  (Ausgabe Verbändereport: 05/06)
  • Welches Controlling benötigen Nonprofit-Organisationen? – Ist das Controllingkonzept auf NPO übertragbar? (Ausgabe Verbändereport: 01/05)
  • Qualität zeigen – Ein Gütesiegel für Verbände (Ausgabe Verbändereport: 09/04)
  • Qualitätsmanagement im Verband – Best Practice: Verbands-QM und Zertifizierung am Beispiel des Deutschen Steuerberaterverbandes e.V., Berlin (DStV)
  • (Ausgabe Verbändereport: 08/04)

Fachportale im Internet:

  • www.dgvm-zert.de
    Informationen zum DGVM Zert
  • www.tuev.com
    Zertifizierungsstelle TÜV Rheinland Group
  • www.dqs.de
    Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen
  • www.din.de
    Deutsches Institut für Normung e.V.
  • www.tuev-cert.de
    TÜV-Zertifizierungsgemeinschaft e.V.
  • www.qz-online.de
    Fachzeitschrift QZ zum Qualitätsmanagement
  • www.quality-link.de
    Unabhängiges Qualitätsmanagement-Portal
  • www.tqmforum.de
    TQM-Forum an der Hochschule Pforzheim
  • www.efqm.org
    European Foundation for Quality Management
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Autor/in

Tim Richter

ist Redaktionsleiter des Deutschen Verbände Forums – verbaende.com und ständiges Mitglied der Redaktion des Verbändereport. In verschiedenen Positionen setzt er die Möglichkeiten des Internets und von Social Media zur Schaffung von Öffentlichkeit ein. Er ist Mit-Herausgeber des Fachbuches „Social Media in Verbänden“ und berät Organisationen im erfolgreichen Einsatz und Umgang mit den neuen Medien.

http://www.verbaendereport.de

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