Verbändereport AUSGABE 3 / 2012

Gemeinnützige Verbände: Neuer Anwendungserlass des Bundesfinanzministeriums verändert das Gemeinnützigkeitsrecht

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Seit durch das Steueränderungsgesetz 2009 das Gemeinnützigkeitsrecht geändert wurde, haben sich viele gemeinnützige Verbände notgedrungen auf die neue Rechtslage einstellen müssen. Doch das Gemeinnützigkeitsrecht kommt nicht zur Ruhe: Der neue Anwendungserlass der Finanzverwaltung bringt zahlreiche Neuerungen – und nicht nur gute.

Zwei Jahre hat es gedauert, bis die Finanzverwaltung mit dem lange erwarteten Anwendungserlass zu Fragen der Gemeinnützigkeit überkam. Die Verzögerung beruht dem Vernehmen nach auf tief greifenden Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern. Der äußere Anlass für die neue Verwaltungsregelung war die notwendige Anpassung der Verwaltungsmeinung an die gesetzlichen Neuregelungen des Gemeinnützigkeitsrechts.

Der jetzige Anwendungserlass geht über dieses Ziel jedoch weit hinaus: Er enthält zahlreiche Neuregelungen, mit denen in den gemeinnützigen Verbänden nicht gerechnet wurde. Leider sind darunter auch nachteilige Regelungen, deren Tragweite sich heute noch nicht im Einzelnen sicher abschätzen lässt. Fest steht jedenfalls, dass der bisherige Anwendungserlass in weiten Teilen überholt ist. Gemeinnützige Verbände sollten sich daher möglichst umgehend die Neufassung des Anwendungserlasses beschaffen.

Nachteilig ist, dass das Bundesfinanzministerium den neuen Text nicht im Volltext veröffentlicht hat. In der amtlichen Veröffentlichung (Bundessteuerblatt 2012 Teil I, S. 83 ff.) sind nur die Änderungen im Wortlaut der einzelnen Abschnitte des bisherigen Anwendungserlasses dargestellt, was eine Orientierung für die Praxis sehr erschwert. Daher sollen die wichtigsten Änderungen nachfolgend im Einzelnen dargestellt und – soweit dies derzeit schon möglich ist – in ihrer Tragweite erläutert werden.

Verwirklichung gemeinnütziger Tätigkeiten im Ausland

Das Jahressteuergesetz 2009 hatte – veranlasst durch unüberhörbares Drängen europäischer Instanzen – seine bisher sehr restriktive Einstellung zu grenzüberschreitenden gemeinnützigen Betätigungen relativiert. Zu der entsprechenden Regelung in § 51 Abs. 2 AO enthält der neue Erlass nunmehr folgende neue Verwaltungsanweisungen:

Verwirklicht die Körperschaft ihre förderungswürdigen Zwecke nur außerhalb von Deutschland, setzt die Steuerbegünstigung – neben den sonstigen Voraussetzungen der §§ 51 ff. – zusätzlich den sogenannten Inlandsbezug nach § 51 Abs. 2 i. d. F. des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19.12.2008 (BGBl. 1, S. 2794) voraus. Dieser liegt zum einen vor, wenn natürliche Personen, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, gefördert werden. Auf die Staatsangehörigkeit der natürlichen Personen kommt es dabei nicht an.

Falls durch die Tätigkeit im Ausland keine im Inland lebenden Personen gefördert werden, ist ein Inlandsbezug gegeben, wenn die Tätigkeit der Körperschaft neben der Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke auch zur Verbesserung des Ansehens Deutschlands im Ausland beitragen kann. Dabei bedarf es keiner spürbaren oder messbaren Auswirkung auf das Ansehen Deutschlands im Ausland. Bei im Inland ansässigen Körperschaften ist der mögliche Beitrag zum Ansehen Deutschlands im Ausland – ohne besonderen Nachweis – bereits dadurch erfüllt, dass sie sich personell, finanziell, planend, schöpferisch oder anderweitig an der Förderung gemeinnütziger und mildtätiger Zwecke im Ausland beteiligen (Indizwirkung). Der Feststellung der positiven Kenntnis aller im Ausland Begünstigten oder aller Mitwirkenden von der Beteiligung deutscher Organisationen bedarf es dabei nicht.

Ausländische Körperschaften können den Inlandsbezug ebenfalls erfüllen, beispielsweise indem sie ihre steuerbegünstigten Zwecke zum Teil auch in Deutschland verwirklichen oder – soweit sie nur im Ausland tätig sind – auch im Inland lebende natürliche Personen fördern, selbst wenn die Personen sich zu diesem Zweck im Ausland aufhalten. Bei der Tatbestandsalternative des möglichen Ansehensbeitrags zugunsten Deutschlands entfällt zwar bei ausländischen Körperschaften die Indizwirkung, die Erfüllung dieser Tatbestandsalternative durch ausländische Einrichtungen ist aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

Der nach § 51 Abs. 2 bei Auslandsaktivitäten zusätzlich geforderte Inlandsbezug wirkt sich nicht auf die Auslegung der weiteren, für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit notwendigen Voraussetzungen aus. Deren Vorliegen ist weiterhin unabhängig von der Frage, ob die Tätigkeit im In- oder Ausland ausgeübt wird, zu prüfen. Der Inlandsbezug hat somit insbesondere keine Auswirkung auf Inhalt und Umfang der in den §§ 52 bis 53 beschriebenen förderungswürdigen Zwecke. Daher können beispielsweise kirchliche Zwecke weiterhin nur zugunsten inländischer Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, verfolgt werden; andererseits kann die Förderung der Religion nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 wie bisher auch im Ausland erfolgen; auch kann wie bisher z. B. eine hilflose Person im Ausland unterstützt werden (§ 53 Nr. 1).

Mit der Prüfung des Inlandsbezugs selbst ist keine zusätzliche inhaltliche Prüfung der Tätigkeit der Körperschaft verbunden. Das heißt, es ist weder ein weiteres Mal zu ermitteln, ob die Körperschaft gemeinnützige oder mildtätige Zwecke i. S. d. §§ 52 und 53 fördert, noch kommt es darauf an, ob die Tätigkeit mit den im Ausland geltenden Wertvorstellungen übereinstimmt und somit nach ausländischen Maßstäben ein Beitrag zum Ansehen Deutschlands geleistet werden kann. Falls die Verfolgung der in den §§ 52 und 53 genannten förderungswürdigen Zwecke zu bejahen ist, ist daher davon auszugehen, dass eine solche Tätigkeit dem Ansehen Deutschlands im Ausland nicht entgegensteht. Der Inlandsbezug wird für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit ab Veranlagungszeitraum 2009 vorausgesetzt.

Der neue Erlass wiederholt im Wesentlichen die Gesetzesbegründung. Ein Widerspruch liegt darin, dass der Erlass fordert, die Auslandstätigkeit müsse zu einer Verbesserung des deutschen Ansehens im Ausland führen, dann aber feststellt, dass es einer spürbaren oder messbaren Auswirkung der Auslandstätigkeit auf das deutsche Ansehen im Ausland nicht bedürfe.

Inländische Verbände tragen nach dem Erlass in jedem Fall durch ihre Auslandstätigkeit bei. Dieser Ansehensbeitrag wird also ohne besonderen Nachweis unterstellt. Anders verhält es sich bei ausländischen Vereinen, die die Wohltätigkeit der deutschen Gemeinnützigkeit genießen wollen: Sie müssen konkret nachweisen, dass ihre Tätigkeit dem Ansehen Deutschlands dient. Wie dies geschehen soll, bleibt offen.

Gemeinnützigkeitsschädlichkeit extremistischer Verbände

Extremistische Verbände können nach dem Gesetz nicht als gemeinnützig anerkannt werden – eine Selbstverständlichkeit, die bereits gesetzlich geregelt ist.  Der neue Erlass erläutert nunmehr, unter welchen Voraussetzungen ein Verband als extremistisch einzustufen ist.

Tätigkeitsvergütungen für die Vorstände gemeinnütziger Verbände und Stiftungen

Bereits in den vergangenen drei Jahren hat es mehrere Erlasse gegeben, die sich mit der Frage beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen die Zahlung von Tätigkeitsvergütungen an Vorstandsmitglieder der Gemeinnützigkeit schadet. Der neue Anwendungserlass sieht ausdrücklich vor, dass bei Vorstandsvorsitzenden von Vereinen Tätigkeitsvergütungen gemeinnützigkeitsrechtlich nur zulässig sind, wenn eine entsprechende Satzungsregelung besteht. Der neue Erlass bringt für die Vorstände gemeinnütziger Verbände insoweit keine Neuerungen.

Neu ist allerdings die Aussage, dass diese Regelung in gleicher Weise für die Vorstände gemeinnütziger Stiftungen gilt. Dies kann eigentlich nicht überraschen, da für Stiftungen die vereinsrechtlichen Regelungen entsprechend gelten. Dennoch werden einige Stiftungen durch die neue Erlassregelung sicherlich überrascht sein.

Katalog gemeinnütziger Zwecke (§ 52 Abs. 2 AO): Kontinuität früherer Satzungszwecke doch nicht gewährleistet?

Als durch das StÄndG 2009 der abschließende Katalog möglicher gemeinnütziger Zwecke eingeführt wurde, stellte sich die Frage, ob Altsatzungen hinsichtlich der Definition ihrer Satzungszwecke als ohne Weiteres kompatibel mit dem neuen Katalog angesehen werden könnten. In dem bisherigen Anwendungserlass (AEAO Nr. 2 zu § 52) hieß es demzufolge, dass mit der Neueinführung des Katalogs keine Einengung der bisher als besonders förderungswürdig anerkannten Zwecke verbunden sei. Diese Aussage wurde in dem neuen Anwendungserlass ersatzlos gestrichen.

Definition des Begriffs „Jugendlicher“ (§ 52 Abs. 2 Nr. 4 und § 68 Nr. 1 Buchstabe b) AO)

Erstmals wurde der Begriff des Jugendlichen auch für das Gemeinnützigkeitsrecht  verbindlich festgelegt. Unter diesen Begriff fallen alle Personen vor Vollendung des 27. Lebensjahres.

Speziell für mildtätige Verbände: Nachweis der Bedürftigkeit der unterstützten Personen (§ 53 Nr. 2 AO)

Mildtätige Verbände stehen in der Praxis immer wieder vor der Schwierigkeit, wie sie nachweisen können, dass die unterstützten Personen wirtschaftlich bedürftig sind.

Hierzu sieht der Erlass nun folgendes Verfahren vor:

Als Vermögen, das zur nachhaltigen Verbesserung des Unterhalts ausreicht und dessen Verwendung für den Unterhalt zugemutet werden kann (§ 53 Nr. 2 Satz 2), ist i. d. R. ein Vermögen mit einem gemeinen Wert (Verkehrswert) von mehr als 15.500 € anzusehen. Dabei bleiben außer Ansatz:

Vermögensgegenstände, deren Veräußerung offensichtlich eine Verschleuderung bedeuten würde oder die einen besonderen Wert, z. B. Erinnerungswert, für die unterstützte Person haben oder zu ihrem Hausrat gehören,

ein angemessenes Hausgrundstück i. S. d. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII, das die unterstützte Person allein oder zusammen mit Angehörigen, denen es nach dem Tod der unterstützten Person weiter als Wohnraum dienen soll, bewohnt.

Die Grenze bezieht sich auch bei einem Mehrpersonenhaushalt auf jede unterstützte Person. H 33a.1 (Geringes Vermögen – „Schonvermögen") EStH 2010 gilt entsprechend.

Der Erlass enthält nun erstmals konkrete Aussagen über die Höhe des Schonungsvermögens. Mildtätige Verbände müssen sich nun auf erhöhte Nachweiserfordernisse einstellen, was ihre Tätigkeit erheblich erschweren dürfte. Die betroffenen Verbände müssen nun gegenüber dem Finanzamt darlegen, wie sie das Vermögen der unterstützten Personen ermittelt haben.

Aufgabe der sogenannten Geprägetheorie – und ihr Ersatz durch neue Grundsätze

Die spektakulärste Änderung des Erlasses: Die Finanzverwaltung gibt die bisherige „Geprägetheorie“ auf! Die Geprägetheorie war bereits vor einigen Jahren in die Schusslinie des Bundesfinanzhofs geraten und wurde in der Steuerrechtswissenschaft stark angegriffen. Daraufhin hat die Finanzverwaltung – nach offenbar erbitterter interner Diskussion – jetzt die Notbremse gezogen. Die Aufgabe der Geprägetheorie stellt zweifellos einen entscheidenden Fortschritt dar. 

In dem bisherigen Erlass war diese Theorie – in Wirklichkeit ein nicht genau definiertes Dogma war – wie folgt formuliert:

„Unterhält eine Körperschaft einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, ist zwischen ihrer steuerbegünstigten und dieser wirtschaftlichen Tätigkeit zu gewichten. Die Körperschaft ist nicht steuerbegünstigt, wenn ihr die wirtschaftliche Tätigkeit bei einer Gesamtbetrachtung das Gepräge gibt.“

Wer allerdings glaubt, dass damit jegliche Schranken für eine wirtschaftliche Betätigung gemeinnütziger Verbände gefallen sind, irrt. Die Finanzverwaltung hat sich nämlich entschieden, die bisherigen Schranken anders zu ziehen. Sie ordnet nunmehr das Problem der wirtschaftlichen Tätigkeit unter den gemeinnnützigkeitsrechtlichen Grundsatz der Ausschließlichkeit ein, und zwar mit folgender Formulierung:

Das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 besagt, dass eine Körperschaft nicht steuerbegünstigt ist, wenn sie neben ihrer steuerbegünstigten Zielsetzung weitere Zwecke verfolgt und diese Zwecke nicht steuerbegünstigt sind. Im Zusammenhang mit der Vermögensverwaltung und wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, die Nicht-Zweckbetriebe sind, folgt daraus, dass deren Unterhaltung der Steuerbegünstigung einer Körperschaft entgegensteht, wenn sie in der Gesamtschau zum Selbstzweck wird und in diesem Sinne neben die Verfolgung des steuerbegünstigten Zwecks der Körperschaft tritt. Die Vermögensverwaltung sowie die Unterhaltung eines Nichtzweckbetriebs sind aus der Sicht des Gemeinnützigkeitsrechts nur dann unschädlich, wenn sie um des steuerbegünstigten Zwecks willen erfolgen, indem sie z. B. der Beschaffung von Mitteln zur Erfüllung der steuerbegünstigten Aufgabe dienen. Ist die Vermögensverwaltung bzw. der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb dagegen nicht dem steuerbegünstigten Zweck untergeordnet, sondern ein davon losgelöster Zweck oder gar Hauptzweck der Betätigung der Körperschaft, so scheitert deren Steuerbegünstigung an § 56. In einem solchen Fall kann die Betätigung der Körperschaft nicht in einen steuerfreien und in einen steuerpflichtigen Teil aufgeteilt werden; vielmehr ist dann die Körperschaft insgesamt als steuerpflichtig zu behandeln. Bei steuerbegünstigten Körperschaften, insbesondere Mittelbeschaffungskörperschaften, die sich im Rahmen ihrer tatsächlichen Geschäftsführung an die in ihrer Satzung enthaltene Pflicht zur Verwendung sämtlicher Mittel für die satzungsmäßigen Zwecke halten, ist das Ausschließlichkeitsgebot selbst dann als erfüllt anzusehen, wenn sie sich vollständig aus Mitteln eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs oder aus der Vermögensverwaltung finanzieren. Auf das BFH-Urteil vom 4.4.2007 — I R 76/05 BStB1 II, S. 631, wird hingewiesen.

Die Finanzverwaltung wendet sich damit von der bisherigen quantitativen Betrachtungsweise ab und betrachtet nunmehr als ausschlaggebendes Kriterium, ob die Einnahmen aus steuerpflichtigen und/oder vermögensverwaltenden Tätigkeiten ausschließlich für die steuerbegünstigten Satzungszwecke des gemeinnützigen Verbandes verwendet werden. Mit diesem Kriterium sollte sich in der Verbandspraxis leben lassen. Beachtlich ist, dass nunmehr sogar unschädlich ist, wenn sich ein gemeinnütziger Verband vollständig aus den Erträgen des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs finanziert. Damit entfällt ab sofort die Notwendigkeit, wirtschaftliche Geschäftsbetriebe allein wegen ihres Umfangs in eine Service-GmbH auszulagern.

Möglichkeit einer Wiederbeschaffungsrücklage eingeschränkt

Bisher wurde die Bildung einer Wiederbeschaffungsrücklage auf der Grundlage der steuerlichen Abschreibungsregelungen generell zugelassen. Dies wird nun eingeschränkt: Die Finanzverwaltung lässt eine Wiederbeschaffungsrücklage nur noch zu, wenn die Neuanschaffung tatsächlich geplant und auch tatsächlich möglich ist. Die Finanzverwaltung verlangt jetzt in jedem Einzelfall eine genaue Darlegung des Reinvestitionsbedarfs.

Kooperationen zwischen gemeinnützigen Verbänden erleichtert

Erleichtert werden nunmehr Kooperationen, bei denen ein gemeinnütziger Verband als sog. Hilfsperson eingesetzt wird. Der neue Erlass enthält dazu folgende Regelung:

Die Steuerbegünstigung einer Hilfsperson ist nicht ausgeschlossen, wenn die Körperschaft mit ihrer Hilfspersonentätigkeit nicht nur die steuerbegünstigte Tätigkeit einer anderen Körperschaft unterstützt, sondern zugleich eigene steuerbegünstigte Satzungszwecke verfolgt.

Keine Hilfspersonentätigkeit, sondern eine eigene unmittelbare Tätigkeit liegt vor, wenn der auftraggebenden Person dadurch nicht nach § 57 Abs. 1 Satz 2 die Gemeinnützigkeit vermittelt wird, z. B. Tätigkeiten im Auftrag von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Hoheitsbereich), voll steuerpflichtigen Körperschaften oder natürlichen Personen.

Klarstellung zur Anwendung der gesetzlichen Mustersatzung

Seit die Regelungen in der amtlichen Mustersatzung in Gesetzesrang erhoben wurden, kam es immer wieder zum Streit mit Finanzämtern, die eine sklavische Übernahme des Wortlauts der Mustersatzung in die Vereinssatzung verlangten. Der neue Erlass stellt nunmehr klar, dass die Vereinssatzung vom Aufbau und der Reihenfolge der Mustersatzung abweichen darf und nur die jeweiligen rechtsformspezifischen Bestandteile der Mustersatzung übernommen werden müssen. Bei Vereinen braucht daher der Fall der „Aufhebung“ nicht geregelt zu werden. Bei Verbänden, die bereits vor dem 1.1.2009 bestanden haben, braucht die Satzung nicht allein zur Anpassung an die Mustersatzung geändert werden.

Betriebsaufspaltungen zwischen gemeinnützigen Verbänden und gemeinnützigen GmbHs sind nicht mehr ausgeschlossen

In der neuen Erlassregelung unter Nr. 3 zu § 64 Abs. 1 AO ist eine grundlegende Neuerung versteckt, die man leicht überliest. Es heißt da, dass die Grundsätze der Betriebsaufspaltung anwendbar seien, wenn „die überlassenen wesentlichen Betriebsgrundlagen bei dem Betriebsunternehmen … in einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb eingesetzt werden“.

Diese Änderung des Anwendungserlasses – sie umfasst nur einen einzigen Satz – erscheint auf den ersten Blick unspektakulär. Aber sie hat es in sich! Es wird jetzt erforderlich zu prüfen, ob z. B. im Verhältnis eines gemeinnützigen Verbandes zu seiner gemeinnützigen Service-GmbH eine Betriebsaufspaltung vorliegt. Dies ist nach der neuen Verwaltungsauffassung z. B. der Fall, wenn ein gemeinnütziger Verband „seiner“ gemeinnützigen GmbH wesentliche Betriebsgrundlagen überlässt, die die GmbH in ihrem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb einsetzt.

Die möglichen Folgen sind tief greifend und derzeit noch nicht im Einzelnen zuverlässig abzuschätzen. Denkbar ist, dass die Beteiligung des Verbandes an der GmbH in einem solchen Fall nicht mehr zur Vermögensverwaltung des Verbandes gerechnet wird, sondern bei dem Verband einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstellt. Ferner kommt in Betracht, dass die von der GmbH gezahlten Mieten oder Lizenzgebühren nunmehr der Körperschaft- und Gewerbesteuer unterliegen. Der Anwendungserlass eröffnet hier ein völlig neues Problemfeld, das in der Praxis noch für viel Ärger sorgen wird.

Wettbewerbsrelevanz bei Zweckbetrieben: potenzieller Wettbewerb reicht

Bei Zweckbetrieben im Sinne des § 65 AO ist die Frage nach einer möglichen Wettbewerbsverzerrung immer ein Thema. Der Anwendungserlass besagt nun, dass ein Wettbewerb in diesem Sinne nicht voraussetzt, dass ein gemeinnütziger Verband auf einem Gebiet tätig ist, in dem er tatsächlich in Konkurrenz zu steuerpflichtigen Betrieben derselben oder ähnlicher Art tritt. Der Sinn der gesetzlichen Regelung liege in einem umfänglichen Schutz des Wettbewerbs, der auch einen potenziellen Wettbewerb umfasse. Die Finanzverwaltung schließt sich damit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs an.

Neuregelungen zu Rettungsdiensten, Krankentransporten, Selbstversorgungsbetrieben und zur Auftragsforschung

Der neue Anwendungserlass enthält eine Reihe von Detailregelungen zu den genannten Gebieten, deren Darstellung an dieser Stelle zu weit führen würde. Hervorzuheben ist jedoch, dass es im Bereich der Auftragsforschung jetzt nicht mehr darauf ankommt, ob sich der betreffende Verband überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter oder aus Überschüssen aus der Vermögensverwaltung finanziert. Die Steuerbefreiung dieser Verbände geht jetzt nur noch dann verloren, wenn die Auftragsforschung als eigenständiger Zweck neben die Grundlagenforschung tritt. Damit ergeben sich aber neue Abgrenzungsprobleme, die vorerst ungelöst sind.           

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Autor/in

Winfried Eggers

erlernte das „Steuerhandwerk” als Regierungsrat in der Verwaltung in NRW. Er war danach neun Jahre Finanzrichter beim Finanzgericht Köln. Bis Mitte 1998 war er in der Steuerabteilung des BDI tätig. Seither ist Dr. Eggers niedergelassener Anwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Steuerrecht für Verbände und Organisationen in Köln.

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