Verbändereport AUSGABE 8 / 2010

Systematische Risikominimierung durch Qualitätsmanagement

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Kartellrecht, allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Dienstleistungs-, Informations- und Überwachungspflichten, Datenschutz, Vertragsrecht, Steuerrecht und Gefährdung der Gemeinnützigkeit, Haftungsfragen von Ehren- und Hauptamt – Gesetzgeber, Verwaltung und Rechtsprechung haben Vereinen und Verbänden in den vergangenen Jahren zahlreiche (steuer-)rechtliche Risikotatbestände beschert.

Die Übernahme von haupt- und ehrenamtlichen Leitungsfunktionen in Vereinen und Verbänden ist in der Tat mit bemerkenswerten Haftungsrisiken verbunden. Während dies den Organisationen bei bestimmten Themen durchaus bewusst ist, gibt es immer wieder Fälle, in denen das Risikopotenzial individuellen verbandlichen Handelns falsch eingeschätzt beziehungsweise gar nicht erst erkannt wird.

Exemplarisch sollen kartellrechtliche Bestimmungen Erwähnung finden, die reichhaltig Anlass für Konfliktpotenziale bieten. Immer noch ruft es mitunter Erstaunen hervor, dass der von einem Branchenverband -organisierte Meinungs- und Erfahrungsaustausch zwischen seinen Mitgliedern über sensible Aspekte wie Preise, Preisentwicklungen oder Konditionen kartellrechtliche Brisanz aufweist. Ferner sind Informationssysteme über Mengen, Preise und Absatzkanäle ebenso kartellrechtlich bedeutsam wie Verbandsempfehlungen zu wettbewerbsrelevanten Sachverhalten und Mitteilungen eines Verbandes zu erwarteten Preiserhöhungen für die vertretene Branche.

Das Damoklesschwert recht­licher, regulatorischer Sank­ti­onen oder finanzieller Verluste

Deutsches wie europäisches Kartellrecht verbieten Beschlüsse von Verbänden sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Ein solches wettbewerbsbeschränkendes beziehungsweise verhaltenskoordinierendes Handeln kann eine Haftung von Verbänden begründen.

Neben dem Kartellrecht stellen zusätzlich arbeitsrechtliche Anforderungen, Dienstleistungs-, Informations- und Überwachungspflichten, datenschutzrechtliche Bestimmungen, Vertragsrecht sowie Steuerrecht und Aspekte der Gemeinnützigkeit permanente Rahmenbedingungen für verbandliches Entscheiden und Handeln.

Über dem Management von Verbänden schwebt gleichsam ein Damoklesschwert rechtlicher, regulatorischer Sanktionen oder finanzieller Verluste, gepaart mit einem Vertrauensverlust der Zielgruppen. Und so verpflichtet dieses Bedrohungsszenario zu systematischer Beobachtung, Analyse und Bewertung rechtlicher Anforderungen ebenso wie zum Identifizieren daraus abzuleitender Konsequenzen.

Gefragt ist folglich ein Risikomanagement, das die umfassenden rechtlichen Anforderungen an einen Verband und sein Handeln systematisch berücksichtigt. Wünschenswert ist ein zentrales Instrument, das das rechtmäßige Verhalten des Verbandes selbst sowie das seiner Organmitglieder und Mitarbeiter im Hinblick auf alle relevanten Normen verlässlich vorbeugend unterstützt: ein Instrument, das die Compliance, die „Einhaltung“ rechtlicher Normen zur Vermeidung von Haftungsfällen, Schadensersatzklagen oder auch behördlicher Ermittlungsmaßnahmen gewährleisten kann.

QMS und Risikomanagement

Ein Qualitätsmanagement-System ist ein optimales Instrument für solch ein umfassend wirkendes Risikomanagement in Verbänden. Qualitätsmanagement (QM) bezeichnet zunächst einmal alle organisierten Maßnahmen, die der Verbesserung von Dienstleistungen, Prozessen oder Produkten in einer Organisation dienen. „Qualität“ in diesem Sinn wird als die Fähigkeit verstanden, selbst gesteckte, messbare Ziele zu erreichen — beispielsweise die systematische, vollständige Berücksichtigung und Einhaltung aller relevanten Normen für die Verbandsarbeit sowie die Minimierung jeglicher Haftungsrisiken.

Qualitätsmanagement beschreibt die Methodik und das Handwerkzeug, nach dem in einer Organisation individuelle Verfahren zur Sicherung und Verbesserung der Qualität geregelt werden. Dazu nimmt ein Qualitätsmanagement-System die Ausrichtung, die Strukturen sowie die Abläufe der gesamten Organisation in den Blick. Die Geschäftsabläufe in der gesamten Verbandsorganisation werden optimiert, indem das System Störpotenziale, (Haftungs-)Risiken und Ineffektivität identifiziert und reduziert.

Konkret betrachtet werden bei der Einführung eines Qualitätsmanagement-Systems in einem ersten Schritt alle (Norm-) Anforderungen von Anspruchsgruppen, zu denen selbstverständlich auch Gesetzgeber, Behörden und Gerichte gehören, identifiziert und dokumentiert. Je nach Stellenwert in einem Verband sollten die Beachtung und strikte Compliance der Normanforderungen dann deklaratorischen Eingang finden in übergeordnete Grundsätze, Leitlinien beziehungsweise Verbandsziele. Dieses Vorgehen betont die Relevanz des Anliegens für den Verband sowie alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter und ist auf diese Weise maßgebend für das gesamte zielgerichtete Handeln der Organisation.

In einem weiteren Schritt werden alle Geschäftsabläufe systematisch (in unserem Beispiel unter anderem) auf das Ziel „systematische, vollständige Berücksichtigung und Einhaltung aller relevanten Normen für die Verbandsarbeit sowie die Minimierung jeglicher Haftungsrisiken“ ausgerichtet. Dies beinhaltet beispielsweise die Festlegung, wie das Monitoring, die Analyse und die Bewertung relevanter Gesetzgebungsvorgänge und Gerichtsurteile geregelt sind, oder wie die Gremienvorbereitung, -durchführung und -nachbereitung im Hinblick auf die Beachtung kartellrechtlicher Bestimmungen zu erfolgen hat. Dieses Vorgehen ist ebenfalls auf ausgelagerte Geschäftsabläufe anzuwenden, wie sie beispielsweise gegeben sind, wenn Gremiensitzungen eines Branchenverbandes durch einen externen „Compliance Lawyer“ begleitet werden oder regelmäßig Rechtsberatung durch eine Kanzlei abgerufen wird.

Konsequenterweise betont Qualitätsmanagement ebenfalls den Stellenwert der Personalentwicklung, da erst die Mitarbeiterschaft definierte Geschäftsprozesse zum Leben erweckt. In unserem Beispiel könnte dies unter anderem bedeuten, dass ein vom Qualitätsmanagement vorgesehener Fortbildungsplan jährliche Seminarbesuche über kartellrechtliche Neuerungen, Haftungsfragen in Verbänden oder steuerrechtlich relevante Gerichtsurteile vorgibt.

Zum Wesen von Qualitätsmanagement gehört es schließlich, nicht nur zielführende Vorgaben zu machen, sondern die Zielerreichung auch regelmäßig zu bewerten, Veränderungsbedarf festzustellen sowie Optimierungsmaßnahmen zu treffen, zu dokumentieren, umzusetzen und auch deren Qualität erneut zu bewerten. Genügt also das vorgeschriebene Monitoring der Gesetzgebungsvorgänge und Gerichtsentscheide den selbst gesteckten Zielen? Verhindert die definierte Gremienvorbereitung, -durchführung und -nachbereitung kartellrechtliche Risikotatbestände? Versetzen die vereinbarten Seminarbesuche die Mitarbeiter in den wirklich aktuellen haftungs-, kartell- und steuerrechtlichen Wissensstand? Und welche Maßnahmen sind gegebenenfalls zu ergreifen, damit das Erreichen der definierten Ziele sichergestellt werden kann?

Entsprechende Bewertungshinweise können beispielsweise durch beteiligte Mitarbeiter, Gremienmitglieder und externe Juristen oder auch durch Erkenntnisse aus Beschwerden von Mitgliedern erfolgen. Erst dieser kontinuierliche Verbesserungsprozess macht ein echtes Qualitätsmanagementsystem aus und stellt damit für alle Risiken ein optimales Risikomanagement dar.

Ein QM-System ist dabei jederzeit darauf ausgelegt, im Verband bestehende Dokumente wie Codes of Conduct, kartellrechtliche Compliance-Regeln und andere Richtlinien (beispielsweise im Umgang mit Social Media, Geschenken und Einladungen), die den Umgang der Mitarbeiter untereinander und im Verhältnis zu Dritten regeln, mit in das System einzubeziehen.

Qualitätsmanagement ist ein weltweit anerkannter Standard. Das bekannteste QM-Modell ist die Normenreihe DIN EN ISO 9000. Die für eine Zertifizierung des Systems relevante Norm ist die DIN EN ISO 9001. Die in dieser Norm formulierten Anforderungen an ein QM-System gelten ausdrücklich unabhängig von der Branche, der Größe oder der Struktur einer Organisation. Sie sind somit ebenfalls für Verbände und Vereine jeder Größe geeignet.

Das 2006 etablierte Management- und Zertifizierungssystem DGVM ZERT basiert inhaltlich auf der DIN EN ISO 9001, ist aber durch die Berücksichtigung entsprechender Anforderungen und Besonderheiten speziell für Verbände und vergleichbare Organisationen entwickelt worden. DGVM ZERT wurde unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Verbandsmanagement e.V. von einer Projektgruppe etabliert, zu der erfahrene Verbandsberater und Verbandsmanager ebenso gehörten wie Qualitätsmanagement-Experten aus führenden Zertifizierungsgesellschaften.

DGVM ZERT basiert zentral auf einem Kriterien- beziehungsweise Fragenkatalog, der beispielsweise die Verbandsziele, die interne Kommunikation und Gremienarbeit, die Bereitstellung von Ressourcen, die Personalplanung und -gewinnung sowie die Fortbildung und Personalentwicklung thematisiert. Jeder Verband kann in der Folge die Maßnahmen zur Erfüllung der Zertifizierungskriterien in Eigenregie organisieren oder sich beispielsweise durch autorisierte DGVM-ZERT-Berater unterstützen lassen.

Qualitätsmanagement verschafft Verbänden eine umfassende und systematische Risikobegrenzung für alle sensiblen Rechtsfelder wie Steuer- und Kartellrecht, Vertrags-, Datenschutz- und Haftungsfragen. Ein zertifiziertes Qualitätsmanagement-System garantiert eine gesteigerte Attraktivität und schafft Vertrauen sowohl bei der aktuellen wie auch der potenziellen Mitgliedschaft, da es die Leistungsfähigkeit des Verbandes dokumentiert.

Ein zertifiziertes Verbandsmanagement nach ISO 9001 oder DGVM ZERT bringt Risikotransparenz, Rechtssicherheit und Effizienz in Ihren Verband.

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Autor/in

Dirk Günther

ist Geschäftsführer des Deutschen Hebammenverband e. V. Zudem berät er seit 2007 Verbände mit der Meilenstein! Beratungskanzlei.

http://www.meilenstein-beratung.de

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